Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus
Verlust des Zugangs zu den Archiven bedeuten würde, zieht er sein Gesuch kurze Zeit später zurück und nimmt ein Darlehen des Zaren an. Natalja ist froh über die Entscheidung ihres Mannes und lädt ihre beiden Schwestern nach Sankt Petersburg ein, damit auch sie in den Genuss der Bälle kommen. Eine größere Wohnung, steigende Kosten und mehr Unruhe im Haus sind die Folge. Nachdem Natalja nach einer durchtanzten Nacht zu allem Überfluss eine Fehlgeburt hat, beginnt der Dichter das Jahr 1835 mit trüben Gedanken – umso mehr, als sich herausstellt, dass Polizei und Zar auch seine Briefe an Natalja lesen.
In den Gedichten von 1835 dominieren thematisch Flucht und Todessehnsucht, bisweilen verborgen in Um- und Nachdichtungen (von John Bunyan, Robert Southey, André Chénier).
DAS LETZTE DUELL
Anfang 1836 wird Puschkin die Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, des »Zeitgenossen« (Sowremennik), erlaubt, der er sich von nun an hauptsächlich widmet. Die Familie wächst weiter: 1835 kommt Sohn Grigorij, 1836 Tochter Natalja zur Welt. Wenngleich Puschkin Frau und Kinder abgöttisch liebt, wird die materielle Lage doch immer auswegloser, denn der »Eherne Reiter« wird vom zaristischen Zensor nicht zugelassen, der »Pugatschow-Aufstand« findet kaum Käufer, und die erste Nummer des »Zeitgenossen« (überwiegend von Puschkin und Nikolaj Gogol bestritten) bringt ebenfalls nichts ein. Ende März stirbt Puschkins Mutter, die er bei Michailowskoje beerdigt. Wieder zurück in Sankt Petersburg, arbeitet der Dichter an seiner Zeitschrift, an den »Ägyptischen Nächten« und dem historischen Roman »Die Hauptmannstochter« und entwirft einen Zyklus von Gedichten mit vorwiegend religiöser Thematik.
Am 16. November 1836 erhält Puschkin ebenso wie einige seiner Freunde einen anonymen Brief, in dem er zum »Historiographen des Ordens der Hahnreie« ernannt wird. Als Großmeister dieses Ordens wird der Ehemann der langjährigen Geliebten Alexanders I. genannt und somit eine ähnliche Beziehung von Puschkins Frau zu Nikolaus I. suggeriert. Wer diese Briefe zu verantworten hat, ist bis heute ungeklärt. Puschkin verdächtigt den niederländischen Gesandten van Heeckeren, dessen »Adoptivsohn«, der französische Emigrant Georges d’Anthès, seit Monaten Natalja den Hof macht. Er fordert d’Anthès zum Duell heraus, das van Heeckeren und Schukowskij jedoch zunächst zu verhindern wissen, nachdem der vermeintliche Nebenbuhler erklärt hat, er liebe Nataljas Schwester und wolle diese auch heiraten. Die Hochzeit findet am 23. Januar tatsächlich statt. Zwar verbietet Puschkin seinem neuen Schwager das Haus, doch es ist Ballsaison und man begegnet sich ständig in der Gesellschaft. Da der Franzose auch weiterhin nicht von Natalja ablässt, schickt Puschkin einen beleidigenden Brief an van Heeckeren, der eine Herausforderung zum Duell unausweichlich macht. Doch weil ein Diplomat sich nicht duellieren darf, springt d’Anthès ein.
HAUPTWERKE PUSCHKINS
Ruslan und Ljudmilla (1820)
Der Gefangene im Kaukasus (1822)
Der Springbrunnen von Bachtschisaraj (1824)
Die Zigeuner (1824)
Eugen Onegin (seit 1823–32; erschienen 1833)
Der Mohr Peters des Großen (1827; erschienen 1837)
Poltawa (1829)
Kleine Tragödien (1830)
Die Erzählungen Belkins (1831)
Boris Godunow (1825; erschienen 1831)
Der eherne Reiter (1833; erschienen 1837)
Geschichte des Pugatschowschen Aufstandes (1834)
Pique Dame (1834)
Der geizige Ritter (1836)
Die Hauptmannstochter (1836)
Das Duell findet am 8. Februar 1837 im Norden von Sankt Petersburg, am Schwarzen Flüsschen, statt. Puschkin wird schwer verletzt und nach Hause gebracht, wo sich mehrere Ärzte um ihn kümmern, darunter der Leibarzt des Zaren. Doch der Dichter stirbt, von Freunden umgeben, am Nachmittag des 10. Februar 1837. Die Einsegnung des Leichnams wird, um der unerwartet großen Anteilnahme der Bevölkerung zu entgehen, von der großen Kasaner Kathedrale in die kleine Marstallkirche verlegt. Die sterblichen Überreste Puschkins werden bei Nacht und Nebel ins Swjatogorsker Kloster bei Michailowskoje gebrach.
Nikolaus I. sorgt für die Erziehung von Puschkins Kindern und lässt durch Schukowskij eine Werkausgabe vorbereiten, deren Ertrag der Familie zugute kommt. Die Verehrung Puschkins als Nationaldichter Russlands kommt schließlich 1880 mit der Enthüllung des ersten Puschkin-Denkmals in Moskau und einer denkwürdigen Rede Fjodor Dostojewskijs aus diesem Anlass zum Ausdruck.
VICTOR
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