Worte bewegen die Welt
Mönchs von Salzburg ist der Wolkensteiner der erste deutschsprachige Autor, von dem eine größere Anzahl (34) mehrstimmiger Liedsätze überliefert ist: einfache Mehrstimmigkeit »Note gegen Note« (Kl 51, Kl 84 – »Kl« verweist auf die Liednummer in der Edition von Karl Kurt Klein); ein virtuoser Saufkanon (Kl 70; der zweite deutsche Kanon nach dem Martins-Kanon des Mönchs von Salzburg); vor allem aber raffinierte und komplizierte polyphone Sätze nach dem Vorbild französische und italienischer Sänger. Viele seiner mehrstimmigen Liedsätze sind Übernahmen bereits existierender Melodien, die Oswald mit neuen Texten versehen hat, allerdings durchaus in adaptierender Weise (Kl 50). Mit diesen Liedern, bei denen die Hauptstimme jeweils im Tenor liegt, also in der Unterstimme und nicht wie später in der Oberstimme des Diskant, hat sich der Wolkensteiner einen wichtigen Platz in der deutschen Musikgeschichte gesichert.
DIE ZENTRALEN THEMEN DER LIEDER
Drei Themenbereiche sind in Oswalds Liedern vorherrschend: die Liebe in all ihren Ausprägungen – von ausgelassener Lebensfreude bis hin zu Not und Verzweiflung –, außerdem Reisen in ferne Länder und schließlich die Sorge um das Seelenheil.
Nur zwei Frauen nennt Oswald in seinen Liedern mit Namen – eine Brixener Bürgerin namens Hausmann, möglicherweise eine leidenschaftliche Jugendliebe, zumindest aber seine »Minnedame«, sowie seine Verlobte und Ehefrau Margarethe von Schwangau.
Im 19. Jahrhundert ist aus den Liedern vor allem eine romantische Liebesgeschichte herausgelesen worden: Oswald habe eine Jugendliebe namens Sabina Hausmann gehabt, sei ihretwegen auf Kreuzfahrt gegangen, habe sie aber hinterher als Ehefrau eines gewissen Martin Jäger angetroffen, und sie habe ihn – Jahre nach seiner Verheiratung – im Zusammenhang mit dem Streit um Hauenstein durch ein betrügerisches Rendezvous in eine Falle gelockt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten aber, dass hier mehrere Missverständnisse vorliegen – dass diese »Hausmannin« (wie Oswald sie einmal nennt: Kl 26 XII) aber eine wichtige Rolle für ihn spielte, ist nicht zu bestreiten.
Die »stolze Schwäbin« Margarethe von Schwangau kommt mehrfach in Oswalds Liedern vor: So in einem in seiner Art einmaligen Lied, das Oswald und sein »Gredli« gemeinsam im Badezuber präsentiert (Kl 75), aber auch als keifende Ehefrau (Kl 44). Margarethe hat Oswald um etwa sechs Jahre überlebt: Ein Schreiben, das sie besorgt im Sommer 1445 von Hauenstein an ihren kranken Ehemann Oswald nach Meran sandte, ist ein noch heute ergreifender Privatbrief.
In großer Zahl nennt Oswald in verschiedenen Liedern die Namen der Länder, die er bereist hat. Ausgedehnte Reisen waren für die Adligen und die Intellektuellen des europäischen Mittelalters nichts Außergewöhnliches, doch in Anbetracht der Reisestrapazen zu jener Zeit kann man heute über die damalige Mobilität nur staunen. Aus seinen Liedern geht hervor, dass Oswald folgende Reisen unternommen hat: eine so genannte »Preußenfahrt«, also die Teilnahme an einem Feldzug im preußischen Deutschordensland, eine Pilgerreise in den Orient und nach Jerusalem sowie verschiedene Reisen nach Deutschland, Ungarn und Oberitalien. Besonders bedeutend war für ihn eine große diplomatische Reise im Auftrag und teilweise zusammen mit König Siegmund nach Portugal, Spanien und Frankreich. Diese Reise des Jahres 1416 führte ihn möglicherweise zuerst nach England, bestimmt aber zur Teilnahme am portugiesischen Kriegszug gegen das nordafrikanische Ceuta, ferner ins arabische Granada, nach Perpignan, Avignon und Paris. Sie galt ihm stets als einer der Höhepunkte seines Lebens, denn in Perpignan und Paris wurde er zweimal geehrt, unter anderem durch die Aufnahme in den Greifen- bzw. Kannenorden von Aragon, dessen Zeichen auf den Abbildungen in seinen beiden Liederhandschriften vorkommt. In einem ganz ungewöhnlichen politischen Lied – halb selbstdarstellender Gassenhauer, halb politische Satire (Kl 19) – berichtet Oswald von dieser Reise.
Auch zum Thema Religion sind Oswald herausragende Lieder gelungen: Hier war es offenkundig besonders das Erlebnis seiner beiden bedrohlichen und demütigenden Gefangenschaften, das er mit eindringlicher Wortgewalt verarbeitet hat: Hervorzuheben sind etwa ein Lied über das »Untier Tod«, das ihn aufs Gefährlichste bedroht (Kl 6), oder aber – ganz gegensätzlich – ein Fasnachtslied (Kl 40), in dem er ausführt, wie er nach
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