WoW 02 - Der letzte Wächter
Informationen wie möglich aus ihr herauszuholen, anstatt mir zu sagen, was ich zu tun habe? Oder bezweifelst du, dass ich mit einem einzigen Halb-Orc fertig werde?«
Khadgar schwieg. Sein Verhalten und seine Unfähigkeit, die Dinge aus mehr als nur einer Perspektive zu betrachten, waren ihm peinlich. Zweifelte er an Medivh? War es möglich, dass der Magus sich in einer Weise verhielt, die gegen seinen Orden gerichtet war? Die Frage brannte in ihm, wurde noch angefacht durch Lothars Worte, durch die Vision des Dämons und die Intrigen des Ordens. Er wollte den älteren Mann warnen, aber jedes Wort schien auf ihn selbst zurückzufallen.
»Ich mache mir manchmal Sorgen um Euch«, sagte er schließlich.
»Und ich mache mir manchmal Sorgen um dich«, erwiderte der ältere Magier wie geistesabwesend. »Ich mache mir in letzter Zeit um vieles Sorgen.«
Khadgar wagte einen letzten Versuch. »Herr, ich glaube, dass Garona eine Spionin ist. Ich glaube, dass sie nur hier ist, um möglichst viele Informationen zu sammeln, die sie später gegen Euch verwenden wird.«
Medivh lehnte sich zurück und lächelte den jungen Mann verschmitzt an. »Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, junger Freund. Oder hast du die Liste vergessen, die deine eigenen Herren von den Kirin Tor dir mitgegeben haben? Wie viele Informationen solltest du aus mir herausholen, als du damals nach Karazhan kamst?«
Khadgars Ohren waren knallrot, als er überhastet das Zimmer verließ.
ELF
GARONA
Er kehrte in seine (nun ja, Medivhs) Bibliothek zurück, wo Garona bereits seine Notizen durchging. Eine plötzliche Wut stieg in ihm auf, aber die Schmerzen von ihren Hieben und Medivhs mahnende Worte sorgten dafür, dass er sich beherrschte.
»Was tust du da?«, fragte er scharf.
Garonas Finger tanzten über das Papier. »Herumschnüffeln würdest du das wohl nennen. Spionieren?« Sie sah auf. »Eigentlich versuche ich nur zu verstehen, was du hier machst. Die Papiere lagen offen herum. Ich hoffe, es stört dich nicht.«
Und wie es mich stört
, dachte Khadgar, sagte jedoch: »Meister Medivh hat mich gebeten, dich in allem zu unterstützen, aber es würde ihm wohl kaum gefallen, wenn ich in diesem Zusammenhang zulasse, dass du dich durch einen unvorsichtigen Zauber selbst in die Luft jagst.«
Garonas Gesicht blieb regungslos, aber Khadgar bemerkte, dass sie die Finger von den Papieren zurückzog. »Ich bin an Magie nicht interessiert.«
»Berühmte letzte Worte«, versetzte Khadgar. »Kann ich dir bei irgendetwas helfen, oder schnüffelst du nur allgemein herum, um zu sehen, was du vielleicht aufschnappen kannst?«
»Ich habe gehört, du hast ein Buch über die Könige von Azeroth«, sagte sie. »Ich würde es gerne lesen.«
»Du kannst lesen?«, fragte Khadgar. Es klang gemeiner, als er es beabsichtigt hatte. »Tut mir Leid, ich wollte …«
»Ja, überraschenderweise
kann
ich das«, erwiderte Garona schnippisch. »Ich habe über die Jahre hinweg viele Fähigkeiten erworben.«
Khadgar presste die Lippen zusammen. »Zweite Reihe, viertes Regal. Es ist ein rot eingebundenes Buch mit goldenem Rand.«
Garona verschwand zwischen den Stapeln, und Khadgar nutzte die Zeit, um seine Notizen vom Tisch zu nehmen. Er musste sie an einem anderen Ort aufbewahren, so lange die Orc sich frei im Turm bewegte. Zum Glück handelte es sich um keine Korrespondenz des Ordens. Sogar Medivh hätte wohl getobt, wenn er ihr das »Lied von Aegwynn« zugänglich gemacht hätte.
Seine Blicke fanden die Sektion, in der die Schriftrolle aufbewahrt wurde. Von hier aus schien sie unverändert zu sein. Es war nicht vordringlich, aber er sollte sie wohl ebenfalls an einen anderen Ort bringen.
Garona kehrte mit einem gewaltigen Buch in der Hand zurück und hob fragend eine ihrer buschigen Augenbrauen.
»Ja, das ist es«, sagte der Schüler.
»Die menschliche Sprache ist ein wenig … ausschweifend«, kommentierte sie die Dicke des Werkes und deponierte es auf dem freien Platz, wo eben noch die Notizen gelegen hatten.
»Nur weil wir so viel zu sagen haben«, erwiderte Khadgar und versuchte zu lächeln. Er fragte sich, ob Orcs wohl auch Bücher besaßen, eigene Bücher. Lasen sie überhaupt? Sie hatten Schamanen, aber bedeutete das zwangsläufig, dass sie auch über echtes Wissen verfügten?
»Ich hoffe, ich war eben im Gang nicht zu heftig mit dir.« Ihr Tonfall war verbindlich, und Kadgar war sicher, dass sie es lieber gesehen hätte, wenn
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