WoW 02 - Der letzte Wächter
unternehmen, weil sie fürchten müssen, dass ich vielleicht doch ein romantisches Interesse an dir habe. Und das zum Trost: Von all den Magiern, Zauberern, Schamanen warst du der mit dem größten Potenzial. Dein Samen wird mein Kind schützen und stärken und es zum Gefäß für meine Macht machen. Und nach seiner Geburt wirst du es hier sogar erziehen, weil ich weiß, dass es meinem Pfad folgen wird. Der Orden wird sich die Gelegenheit, es vielleicht doch beeinflussen zu können, nicht entgehen lassen.«
Nielas Aran schüttelte den Kopf. »Aber ich …« Er brach ab. »Aber du hast …« Er zögerte erneut. Als er schließlich sprach, leuchtete ein Feuer in seinen Augen, und da war Stahl in seiner Stimme. »Leb wohl, Magna Aegwynn.«
»Auf Wiedersehen, Nielas Aran«, sagte Aegwynn. »Es war … angenehm.«
Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ das Zimmer.
Nielas Aran, Hauptbeschwörer des Throns von Azeroth, Konspirator im Orden von Tirisfal und Vater des zukünftigen Wächters Medivh, setzte sich an den perfekt gedeckten Tisch. Er nahm eine goldene Gabel und drehte sie langsam zwischen den Fingern. Dann seufzte er und ließ sie zu Boden fallen.
Die Vision verging, bevor die Gabel auf dem Marmorboden ankam, aber Khadgar hörte ein anderes Geräusch, das eines Stiefels, der über kalten Stein glitt. Das Knistern einer Robe. Er war nicht allein.
Khadgar fuhr herum, erhaschte aber nur noch den Schimmer eines schwarzen Umhangs.
Der Abgesandte spionierte ihn aus?
Es war schon schlimm genug, dass Medivh ihn jedes Mal wegschickte, wenn er mit dem Fremden sprach – jetzt schien dieser bereits die Herrschaft über die Burg übernommen zu haben …
Khadgar sprang auf und lief auf den Eingang zu. Als er die Tür erreichte, war der Abgesandte bereits verschwunden, aber er hörte, wie Stoff über Steintreppen glitt. Er bewegte sich nach unten zu den Gastquartieren.
Khadgar stieg ebenfalls die Stufen hinab. Sie waren so gefährlich, dass der Fremde sich am äußeren Rand bewegen würde, dort wo die Auftrittfläche am breitesten war. Der junge Magier war die Stufen jedoch schon so oft auf und ab gelaufen, dass er sich innen halten konnte und so mehrere Stufen zugleich nahm.
Auf halbem Weg zu den Gastquartieren entdeckte Khadgar den Schatten des Fremden an der Außenwand. Als er das Stockwerk der Gästeunterkünfte erreichte, sah er den Umhang der Gestalt, die durch einen Torbogen auf die Tür zu den Quartieren zulief. Wenn der Abgesandte die Quartiere erreichte, hatte Khadgar seine Chance vertan. Er überwand die letzten vier Stufen mit einem einzigen Sprung, hastete weiter und packte die verhüllte Gestalt am Arm.
Seine Hand schloss sich um Stoff und harte Muskeln. Er drehte die Gestalt zur Wand. »Den Magus dürfte Eure Spionage interessieren …«, begann er, aber die Worte erstarben in seiner Kehle, als die Gestalt ihre Deckung aufgab.
Die
Abgesandte trug eine Reisejacke aus Leder mit hohen Stiefeln, eine schwarze Hose und eine ebenso schwarze Seidenbluse. Ihre Muskeln waren fest, und Khadgar zweifelte nicht daran, dass sie den ganzen Weg geritten war. Doch ihre Haut war grün, und als die Kapuze nach hinten fiel, erschien darunter ein Orc-Gesicht mit gewaltigen Kiefern und langen Fängen. Grüne Ohren ragten aus schwarzem Haar hervor.
»Orc!«, schrie Khadgar und reagierte instinktiv. Er hob die Hand, sprach ein Wort der Macht und sammelte die Kraft, um einen Blitz aus reiner Energie durch sein Gegenüber hindurch zu treiben.
Er hatte keine Chance. Kaum hatte er den Mund geöffnet, als die Orc-Frau auch schon mit einem Tritt reagierte, ihr Bein auf Brusthöhe brachte. Ihr Knie schlug Khadgars ausgestreckte Hand zur Seite. Ihr Stiefel traf seine Wange. Er taumelte.
Khadgar stolperte rückwärts und schmeckte Blut – anscheinend hatte er sich selbst in die Wange gebissen. Er hob erneut die Hand, um einen Blitz zu schleudern, aber die Orc war immer noch zu schnell, schneller als die Krieger in Rüstungen, gegen die er in der Vergangenheit gekämpft hatte. Sie überwand die Entfernung zu ihm mit einem einzigen Schritt. Ihr Faustschlag trieb ihm die Luft aus den Lungen und machte jede Konzentration zunichte.
Der junge Magier zischte, ließ es mit Magie bewenden und wählte einen direkteren Weg. Noch benommen vom Schlag drehte er sich zur Seite, griff nach dem Arm der Gegnerin und zerrte daran. Einen Moment zeichnete sich Überraschung auf dem Orc-Gesicht ab, doch dann setzte sie ihre Füße fest
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