WoW 03 - Im Stom der Dunkelheit
müssen. Khadgar hatte einen tödlichen Angriff gegen seinen Meister geführt. Doch war es Lothar gewesen, der seinem ehemaligen Freund den Kopf abschlug. Den Kopf, den er in ihrer Jugendzeit so oft verteidigt hatte, damals, als er, Medivh und Liane noch Freunde und Gefährten gewesen waren.
Lothar schüttelte den Kopf, um die Tränen zurückzudrängen. Er hatte auf der langen Seereise oft getrauert. Aber immer noch schienen ihn die Qual, die Wut und das Bedauern zu überwältigen.
Liane! Sein bester Freund, sein Gefährte, sein König. Liane, mit dem breiten Grinsen, den lachenden Augen und der schnellen Auffassungsgabe. Liane, der Stormwind in ein goldenes Zeitalter geführt hatte – nur, um miterleben zu müssen, wie die Orcs es zerstörten.
Die Horde fegte über das Land und verwüstete alles, was ihr dabei im Weg stand.
Und dann... hatten sie erkennen müssen, dass
Medivh
für all das verantwortlich war! Dass
seine
Magie den Orcs dabei geholfen hatte, diese Welt zu erreichen – dass sie nur dadurch Stormwind überhaupt hatten erreichen können!
Und als Folge davon war nicht nur das Königreich vernichtet worden, sondern auch Liane gestorben...
Lothar schluckte beim Gedanken daran, was er alles verloren – was sein Volk verloren hatte. Doch dann riss er sich zusammen, wie schon so viele Male zuvor auf ihrer Reise. Er konnte sich diesen Gefühlen nicht ergeben. Sein Volk brauchte ihn, genauso wie die Bewohner dieses Landes, auch wenn sie es noch nicht ahnten.
Und Khadgar folgte seinem Beispiel. Lothar verstand immer noch nicht alles, was in Karazhan in jener Nacht passiert war. Doch irgendwie hatte sich Khadgar während des Kampfes mit Medivh verändert. Seine Jugend war verschwunden, sein Körper unnatürlich gealtert. Jetzt sah er wie ein uralter Mann aus, viel älter als Lothar, obwohl Khadgar fast vierzig Jahre weniger zählte.
Lothar fragte sich, was damals
noch
mit dem jungen Zauberer geschehen war. Khadgar wiederum war viel zu sehr in Gedanken versunken, um den besorgten Blick seines Gefährten zu bemerken. Der junge und doch so alt anmutende Zauberer war in sich gekehrt, obwohl er über dieselben Dinge nachgrübelte wie sein Begleiter. Er durchlebte noch einmal den Kampf von Karazhan. Dabei spürte er sogar erneut das schreckliche Zerren, als Medivh ihm seine Magie und Jugend entzog.
Die Magie war zurückgekehrt – sie war sogar auf vielerlei Weise stärker geworden als zuvor -, doch seine Jugend war ihm genommen, lange vor der eigentlichen Zeit. Er war ein alter Mann geworden, zumindest dem Aussehen nach, auch wenn er sich immer noch gesund und munter fühlte wie eh und je. Und tatsächlich war er genauso ausdauernd, stark und beweglich wie einst. Nur sein Gesicht war voller Falten, seine Augen lagen tiefer in den Höhlen, und sein Haar und der frisch sprießende Bart schimmerten weiß.
Obwohl er erst neunzehn war, sah Khadgar gut dreimal so alt aus. Damit ähnelte er dem Mann in seinen Visionen, jener älteren Ausgabe seiner selbst, die er während des Kampfes aufgrund der in Medivhs Turm freigesetzten Magie gesehen hatte – der ältere Mann, der eines Tages unter einer merkwürdigen roten Sonne sterben würde, weit weg von zu Hause...
Khadgar analysierte die Gefühle, die ihn seit Medivhs Tod bewegten. Der Mann war das personifizierte Böse gewesen, ganz allein verantwortlich dafür, dass die Horde auf diese Welt hatte gelangen können. Auch wenn er nicht er selbst gewesen war, denn Medivh war von Sargeras beherrscht worden, dem Titan, den Medivhs Mutter ein Jahrtausend zuvor besiegen konnte. Doch jener Sargeras war seinerzeit nicht vollständig gestorben, nur sein Körper war vergangen. Er hatte sich in Aegwynns Mutterleib eingenistet und dort ihren noch ungeborenen Sohn beeinflusst.
Nein, Medivh war für seine Taten nicht verantwortlich. Im Sterben hatte er Khadgar verraten, dass er gegen das Böse in sich bereits seit Jahren ankämpfte, vielleicht schon sein ganzes Leben lang. Khadgar war sogar einem merkwürdigen Trugbild seines toten Meisters begegnet, kurz nachdem dessen Körper begraben worden war. Es stammte laut Medivh aus der Zukunft, endlich befreit von Sargeras Geist – dank Khadgar.
Wie sollte ich mich also fühlen?,
überlegte Khadgar. Sollte er trauern, weil sein Meister tot war?
Zeitweilig hatte er Medivh sehr gemocht. Und ganz sicher hatte die Welt durch seinen Tod einen herben Verlust erlitten.
Sollte er also stolz darauf sein, dass er seinen Teil dazu beigetragen
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