WoW 06 - KdA 1 - Die Quelle der Ewigkeit
würde ihnen nichts nützen. Er hatte sich geweigert, ihnen ganz bestimmte Informationen über sein Volk zu geben. Sie hatten nicht aus ihm herauspressen können, wo es lebte. Gewiss, er wusste ja selbst nicht genau, in welcher Richtung seine Heimat lag, doch es war besser, wenn er davon ausging, dass alles, was er über die Orcs sagte, den Nachtelfen helfen konnte, sein Volk anzugreifen. Im Unterschied zu jenen Nachtelfen, die die Verbündeten der Orcs gewesen waren, empfanden diese hier nur Verachtung für Außenseiter … und das machte sie zu einer Bedrohung für die Horde.
Brox rollte sich auf den Rücken – so gut es ihm seine Ketten erlaubten. Noch eine Nacht, und er war wahrscheinlich tot, doch nicht auf die Art, die er selbst gewählt hätte. Für ihn würde es keine ruhmreiche Schlacht geben, kein großes Epos, das noch den zukünftigen Generationen von seinem ehrenvollen Tod erzählte …
»Große Geister«, murmelte er. »Hört diesen Unwürdigen an. Gewährt mir einen letzten Kampf, eine letzte Sache, für die zu streiten sich lohnt. Lasst mich in Würde sterben …«
Brox starrte in den Himmel und betete schweigend weiter.
Doch im Unterschied zu der jungen Priesterin zweifelte er daran, dass die Mächte, die über die Welt wachten, einer niederen Kreatur wie ihm zuhören würden.
Sein Schicksal lag in den Händen der Nachtelfen.
Was Malfurion nach Suramar führte, konnte er selbst nicht genau sagen. Drei Nächte lang hatte er allein in seinem Haus gesessen und über all die Dinge gebrütet, die Cenarius ihm erzählt hatte, über all das, was er selbst im Grünen Traum erfahren hatte. Drei Nächte ohne Antworten auf seine wachsenden Sorgen. Er zweifelte nicht daran, dass das Zauberwerk in Zin-Azshari weiterging und dass die Lage nur immer verzweifelter werden würde, so lange niemand eingriff.
Doch niemand sonst schien überhaupt ein Problem zu
bemerken
.
Vielleicht, entschied Malfurion schließlich, war er einfach nur deshalb nach Suramar gekommen, um irgendeine andere Stimme zu finden, irgendeinen anderen Geist, mit dem er über sein inneres Dilemma sprechen konnte. Aus diesem Grund hatte er sich entschlossen, Tyrande aufzusuchen und nicht seinen Zwillingsbruder. Sie dachte sehr viel sorgfältiger über die Dinge nach, die sie tat, während Illidan dazu neigte, sich in eine Aktion zu stürzen, egal ob er einen Plan hatte oder nicht.
Ja, es würde gut sein, mit Tyrande zu sprechen … und sie einfach nur zu sehen.
Doch als er in die Richtung des Tempels der Elune ging, kam plötzlich ein großes Kontingent Reiter aus der anderen Richtung auf ihn zu. Malfurion trat zur Seite, und mehrere Soldaten in graugrünen Rüstungen ritten auf ihren seidigen, gut gepflegten Panthern an ihm vorbei. Einer der Männer, der sehr weit vorne ritt, hielt ein großes Banner in die Höhe, auf dessen prächtigem rotem Hintergrund der schwarze Schattenriss eines Raben prangte.
Das Banner von Lord Kur'talos Ravencrest.
Der Elfenkommandant ritt vor seiner Truppe her. Sein Reittier war größer, seidiger und offensichtlich das weibliche Alpha-Tier der Meute. Ravencrest selbst war groß und schlank und wirkte sehr königlich. Er ritt, als könne ihn nichts von seiner Pflicht abhalten – was immer diese auch sein mochte. Ein goldener Mantel bauschte sich hinter ihm, und sein hoher Helm mit dem roten Kamm zeigte ebenfalls das Raben-Symbol.
Vogelartig war auch die beste Art, seine Gesichtszüge zu beschreiben: lang, schmal, mit einer schlanken Nase, die an einen nach unten gerichteten Schnabel erinnerte. Der buschige Bart und die strengen Augen verliehen ihm einen Ausdruck von Weisheit und Macht. Abgesehen von den Hochgeborenen gehörte Ravencrest zu jenen Männer, die den größten Einfluss auf die Königin hatten. Sie hatte in der Vergangenheit oft auf seinen Rat gehört.
Malfurion verfluchte sich selbst dafür, dass er nicht eher an Ravencrest gedacht hatte. Doch jetzt war keine gute Gelegenheit, den Edelmann anzusprechen. Ravencrest und seine Elitegarde ritten durch die Straßen, als befänden sie sich auf einer Mission von großer Dringlichkeit, und Malfurion fragte sich sofort, ob seine Zin-Azshari betreffenden Ängste sich bereits materialisiert haben mochten. Aber wenn dies der Fall wäre, wäre sicher die ganze Stadt in Unruhe gewesen. Die Kräfte, die sich in der Nähe der Hauptstadt manifestierten, kündigten eine Katastrophe von monumentalem Ausmaß an, die schnell auch Suramar erreichen
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