WoW 08 - KdA 3 - Das Erwachen
worden. Nur die Hochgeborenen, die Diener der Königin, waren dem Massaker entgangen. Ihre Quartiere lagen hinter hohen Mauern, die verhinderten, dass ihre feinen Sinne von dem Blutvergießen gestört wurden. In ihren farbenfrohen Roben warteten sie auf Azsharas Befehle.
Die Krieger des Palastes hielten immer noch Wache auf den Türmen. In ihren Blicken loderte der gleiche Fanatismus wie er den Dämonen zu eigen war. Kommandiert wurden sie von Captain Varo'then, der trotz seines Ranges die Macht eines Generals hatte. Er vertrat den Willen der Königin, wenn Azshara nicht der Sinn nach Staatsgeschäften stand. Die Soldaten waren ihm treu ergeben. Sie waren bereit, sich zusammen mit den Dämonen gegen ihr eigenes Volk zu stellen. Das Massaker an der Stadtbevölkerung hatten sie ohne eine Reaktion hingenommen. Wie fast alle Bewohner des Palastes waren sie Azshara hörig und dienten dem Herrn der Brennenden Legion.
Sargeras.
Eine Person, die weder der Königin noch dem Dämon diente, hing in einer Zelle tief unter dem Palast und versuchte sich durch Gebete zu ihrer Göttin von ihrer Furcht abzulenken.
Tyrande Whisperwind war in einem Alptraum erwacht. Sie erinnerte sich vage an eine furchtbare Schlacht, in der die Priesterinnen der Elune – Mutter Mond – gekämpft hatten. Tyrande hatte sich am Kopf verletzt, als sie von ihrem tödlich getroffenen Reittier stürzte. Malfurion hatte sie in Sicherheit gebracht. Danach verschwammen die Erinnerungen in ihrem Geist. Sie nahm furchtbare Bilder und Geräusche wahr, sah ziegenähnliche Kreaturen, die mit langen Klauen nach ihr griffen, hörte Malfurions verzweifelte Rufe und dann …
Und dann war die Priesterin hier erwacht.
Aus silbernen Augen sah sie sich zum vielleicht tausendsten Mal in ihrem Kerker um. Sie presste die Lippen zusammen und suchte nach innerer Ruhe. Dann schüttelte sie den Kopf. Ihrer langes bläuliches, von silbrigen Strähnen durchsetztes Haar wurde nicht mehr von einem Helm gehalten und fiel locker über ihre Schultern. Nichts hatte sich seit Tyrandes letzter Untersuchung der Zelle verändert. Wieso hatte sie überhaupt darauf gehofft?
Ihre Handgelenke und Knöchel waren nicht gefesselt, doch das spielte keine Rolle. Eine leuchtende grüne Aura, die ein Stück über dem Steinboden schwebte, hüllte sie von Kopf bis zu den Füßen ein. Darin stand Tyrande, die Arme über den Kopf gestreckt, die Beine fest aneinander gepresst. Die Hohepriesterin hatte alles versucht, aber sie konnte ihre Gliedmaßen nicht bewegen. Die Magie des großen Dämons Archimonde war der ihren in diesem Punkt weit überlegen.
Und doch hatte Archimonde sein höchstes Ziel nicht erreicht. Es war von Anfang an klar gewesen, dass er sie foltern und ihren Willen brechen wollte, damit sie sich ihm und seinem Herrn unterwarf. Dazu standen ihm Mittel wie seine eigene furchtbare Fantasie zur Verfügung sowie die dunklen Künste der Hochgeborenen und der teuflischen Satyrn.
Aber als der Dämon zu seiner Folter ansetzte, bildete sich eine feine Aura aus Mondlicht um den Körper der Priesterin. Weder Archimonde noch seinen Sklaven gelang es, sie zu durchstoßen. Tyrandes Rüstung hätte sie vor seinen Angriffen ebenso wenig schützen können wie der dünne silbrige Umhang, den man ihr vom Leib gerissen hatte – doch die Aura wirkte wie eine meterdicke Mauer. Immer wieder warf sich Archimonde dagegen, immer wieder scheiterte er. Wütend griff der tätowierte Riese schließlich nach einer ahnungslosen Teufelswache und zerfetzte ihr mit einer nachlässigen Bewegung die Kehle.
Von diesem Tag an ließ man Tyrande in Ruhe. Die Dämonen hielten den Sieg über die Armee der Nachtelfen wohl für wichtiger als den über eine einsame Priesterin. Natürlich würde sich das irgendwann ändern, denn die Satyrn, von denen sie durch das magische Portal getragen worden war, hatten ihrem Herrn berichtet, dass sie jenem nahe stand, den Archimonde jagte – Malfurion. Die Dämonen würden Tyrande gegen ihn einsetzen, das war die größte Furcht der Priesterin. Sie wollte nicht die Schuld an Malfurions Untergang tragen.
Sie hörte Schritte in den Gängen des Kerkers. Besorgt hob sie den Kopf, als jemand die Zellentür aufschloss. Ein Nachtelf, den sie fast so sehr fürchtete wie Archimonde, trat ein. Der vernarbte Offizier trug eine grün schimmernde Rüstung, auf deren Brust goldene Sonnenstrahlen leuchteten. Seine eng zusammen stehenden Augen schienen nie zu blinzeln, und wenn er Tyrande
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