WoW 09 - Thall-Drachendämmerung
antwortete.
***
Alexstrasza erinnerte sich nicht, wo sie die letzten Tage gewesen war. Ebenso wenig wusste sie, wohin sie gehen sollte. Sie flog einfach nur, geblendet von Schmerz und dem Verlangen, allem zu entfliehen. Deshalb ließ sie sich von ihren Flügeln dahin tragen, wohin sie wollten.
Sie war über leere, graue Weiten des Ozeans geflogen, über Elfenland und zerstörte Wälder und Winterlandschaften. Bis sie diesen Ort erreicht hatte, der so einsam, gebrochen und leer wirkte wie sie selbst. Ihr Ziel, so hatte sie entschieden, würde Desolace sein - ein passender Name, dachte sie bitter.
Sie verwandelte sich und wanderte auf zwei Beinen südlich des Steinkrallengebirges entlang. Sie kam an einer Schlacht zwischen Horde und Allianz vorbei, achtete nicht darauf, ließ die kurzlebigen Völker sich gegenseitig vernichten. Das war nicht mehr ihre Sache. Sie erreichte ein narbiges Tal, das vor Lava pulsierte, mit Temperaturen, die nur ein schwarzer Drache ertragen konnte, und warf lediglich einen trüben Blick darauf. Sollte die Welt sich doch selbst zerstören. Ihre Liebe war nicht mehr - ihre Liebe, die sie vielleicht verraten hatte und alles, wofür sie gekämpft hatte.
Alexstrasza verfluchte sich selbst, ihren Schwarm, die anderen Schwärme. Sie verfluchte die Titanen, die ihr eine solche Bürde auferlegt hatten. Sie hatte nicht darum gebeten und jetzt erkannte sie, dass sie sie nicht tragen konnte.
Sie zog die Stiefel aus, um wieder feste Erde unter den Füßen zu spüren. Dabei achtete sie nicht auf die Blasen, die sich gebildet hatten. Der steinige Pfad änderte sich, doch das umliegende Land ließ jeden Gedanken an Gras schwinden und war stumpf und grau. Der Boden war merkwürdig pulverig unter ihren wunden Füßen und tröstete auf eine Art, wie es der Stein nicht getan hatte. Sie spürte die Energie des Bösen, nahm sie aber einfach hin und ging Schritt für Schritt weiter. Dabei hinterließ sie verschmierte blutige Fußabdrücke.
Die Toten waren hier. Sie bemerkte zahllose Knochen von Kodos und anderen Tieren, die das Alter gebleicht hatte. Die Skelette bedeckten die Landschaft wie Bäume. Die wenigen lebenden Tiere schienen sich am Aas zu laben - Hyänen, Geier. Alexstrasza sah gelangweilt zu, wie ein Geier über sie hinwegflog. Sie fragte sich, ob er je zuvor Drachenfleisch gefressen hatte.
Bald schon würde er es. Dieser Ort war genau richtig. Sie würde ihn nicht mehr verlassen.
Langsam stieg die als Lebensbinderin bekannte Drachenfrau auf einen der aufragenden Gipfel und blickte über die Einöde, während sie auf den Tod wartete. Hier würde ihr Leiden schließlich enden.
***
Thrall wäre fast an ihr vorbeigeflogen.
Selbst vom Rücken eines der großen Bronzedrachen aus konnte er nicht alles erkennen. Er suchte einen roten Drachen, der an diesem Ort eigentlich leicht zu sehen sein müsste. Dabei achtete er nicht auf die magere Elfe, die allein auf einem Steingipfel kauerte.
„Ich setze Euch ein Stück entfernt ab", sagte Tick. Sie war einer der Drachen, der die Höhlen der Zeit bewachte. Sie hatte sich freiwillig gemeldet, Thrall an sein Ziel zu bringen - angefangen mit diesem gottverlassenen Ort. „Ich glaube, ich bin hier nicht willkommen."
In ihrer Stimme lag keinerlei feindlicher Unterton, sondern nur tiefes Bedauern. Thrall glaubte, dass alle Drachenschwärme das Schicksal der Lebensbinderin betrauerten. Wahrscheinlich würde jedes empfindsame Wesen sie betrauern, überlegte Thrall.
„Ich glaube, das ist das Beste", stimmte Thrall zu.
Beim Näherkommen sah er die kleine Gestalt besser. Noch konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, doch sie war eng zusammengekauert, hatte die Beine an die Brust gedrückt und den rothaarigen Kopf darüber gelegt. Jeder Zoll an ihr schien vor Schmerz und Verzweiflung zu schreien.
Der Bronzedrache landete etwas abseits und legte sich nieder, damit Thrall absteigen konnte.
„Kommt hierher zurück, wenn Ihr zum Rückflug bereit seid", sagte Tick.
„Ich hoffe ja, dass Alexstrasza und ich gemeinsam zurückkehren werden", antwortete Thrall.
Tick schaute düster drein. „Kommt zurück, wenn Ihr zum Rückflug bereit seid", wiederholte sie und schoss in den Himmel.
Thrall seufzte, blickte zur Bergspitze hinauf und machte sich an den Aufstieg.
„Ich höre Euch, Orc", sagte Alexstrasza, bevor er auch nur die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte. Ihre Stimme war schön, klang aber gebrochen. Wie eine wundervolle Glasskulptur, die von
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