WoW 12 - Die Nacht des Drachen
und versuchte zu fliehen... der kleinen Gestalt zu entfliehen, die ihn hochgradig ängstigte.
Sie sah ihn jetzt unverwandt an. Die linke Hälfte ihres Gesichts war von einem seidenen Schleier bedeckt... ein Schleier, der weit genug zur Seite flatterte, dass der Netherdrache das schrecklich verbrannte Fleisch und die leere Öffnung erkennen konnte, wo sich einst das Auge befunden hatte.
Und auch wenn sie winzig gegen den riesigen Drachen war, schürte der Anblick ihres verheerten Gesichts Zzerakus Angst ins Unermessliche. Er wollte fort von hier, wollte so etwas nie wieder schauen müssen...
Selbst nachdem sich der Schleier über den verletzten Bereich gelegt hatte, vermochte der Netherdrache das Böse darunter weiterhin zu
spüren.
Es war etwas so Schreckliches, dass es alles in den Schatten stellte, was er in der Scherbenwelt kennengelernt hatte.
Ihr kaltes Lächeln verstärkte sich, wurde breiter, als ihr Gesicht es eigentlich erlaubte.
»Ruh dich nun aus«, sagte sie in befehlsgewohntem Ton. Als Zzeraku augenblicklich das Bewusstsein verlor, fügte sie hinzu: »Ruh dich aus und hab keine Angst... nun bist du ja im Schoße deiner Familie, mein Kind...«
KAPITEL EINS
Die Zeit vergeht rasch, wenn man es erst geschafft hat, richtig alt zu werden,
dachte die in eine Robe gekleidete männliche Gestalt. Sie saß in ihrem Gebirgsrefugium und beobachtete die Welt durch eine endlos erscheinende Reihe von leuchtenden Globen, die um sie herum schwebten. Auf eine Geste ihres Schöpfers hin bewegten sich die Sphären durch die riesige ovale Kammer. Die Kugeln, die am dringendsten seiner Aufmerksamkeit bedurften, legten sich vor ihm auf eine Reihe von Sockeln, die mit Magie aus Stalagmiten geschaffen worden waren.
Der Boden der Sockel wirkte, als hätte ein Künstler ihn entworfen, so gekonnt waren die Linienführung und die Winkel. Aber nach oben hin wurden sie zu etwas, das eher einem Traum entsprungen zu sein schien als physischer Arbeit. Diese Schnitzereien erinnerten an Drachen und Geister. An der Spitze befand sich eine Skulptur, die wie eine versteinerte Hand mit langen, sehnigen Fingern aussah, die die Kugel fast, aber nicht vollständig, nach oben hoben.
In jeder der Kugeln erschien eine Szene, die für den Zauberer Krasus von Bedeutung war.
Das schwache Donnern, dass ein verstecktes Refugium erreichte, war ein deutlicher Hinweis auf die Wetterturbulenzen draußen.
In die violetten Gewänder gehüllt, die einst für die Kirin Tor entworfen worden waren, beugte sich der schmächtige, bleiche Zauberer vor, um die aktuelle Szenerie besser erkennen zu können.
Seine Gesichtszüge spiegelten sich im blauen Leuchten der Kugel wider. Sie glichen denen der Hochelfen – einem mittlerweile ausgestorbenen Volk –, sowohl was die Knochenstruktur als auch die Patriziernase und den länglichen Kopf anging. Obwohl er die Schönheit dieses untergegangenen Volkes besaß, entstammte Krasus keinem Elfengeschlecht. Das war seinem falkengleichen Gesicht voller Falten und Narben aber nicht zu entnehmen. Am auffälligsten waren drei lange, gezackte Narben, die seine rechte Wange entlangliefen. So etwas konnte kein Elf, egal, welcher Art, erreichen, wenn er nicht mindestens tausend Jahre gelebt hatte. Und auch an den exotischen schwarzen und roten Strähnen in seinem silbernen Haar erkannte man es nicht. Vielmehr waren es die glitzernden schwarzen Augen – Augen, wie sie kein Mensch oder Elf besaß –, die von einem Leben jenseits aller Sterblichkeit berichteten.
Sein enormes Alter konnte nur ein mächtiger Drache erreichen.
In seiner gegenwärtigen Gestalt trug er den Namen Krasus. Für die meisten war er eines der älteren Mitglieder im inneren Kreis des Herrscherrats von Dalaran. Doch Dalaran hatte darin versagt, sich dem stetig anwachsenden Bösen entgegenzustellen. Viele Königreiche waren während der Kämpfe gegen die Orcs und in den Folgekriegen gegen die Dämonen der Brennenden Legion und die untote Geißel untergegangen. Azeroth stand Kopf, Tausende Leben waren verloren, und selbst jetzt war noch nicht alles wieder in Ordnung... eine Ordnung, die ohnehin mit jedem Tag zerbrechlicher wurde.
Es ist, als wären wir alle in einem endlosen Spiel gefangen, wobei unsere Leben von einem Würfelwurf oder einer ausgespielten Karte abhängen,
überlegte er und erinnerte sich an die katastrophalen Ereignisse der Vergangenheit. Krasus hatte den Untergang von Zivilisationen miterlebt, die weit älter waren als die
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