Wozu wollen Sie das wissen?
aus.
»Hierher, Buster. Buster. Buster. Komm nach Hause.«
»Willst du, dass ich rausgehe und ihn rufe?«
»Würde nichts nutzen. Er würde einfach nicht auf dich hören.«
Ich habe den Eindruck, dass ihre Stimme schwächer und mutloser ist, wenn sie Buster ruft, als sie zulässt, wenn sie mit einem Menschen spricht. Sie pfeift nach ihm, so laut sie kann, aber auch ihrem Pfiff fehlt es an Kraft.
»Ich wette, ich weiß, wo er hingelaufen ist«, sagt sie. »Runter an den Fluss.«
Ich denke, egal, was sie sagt, ich werde die Gummistiefel meines Vaters anziehen und mich auf die Suche nach ihm machen müssen. Dann, auf ein für mich unhörbares Geräusch hin, hebt sie den Kopf, eilt zur Tür und ruft: »Hierher, Buster, alter Junge. Da ist er ja endlich. Komm jetzt rein. Komm schon, Buster. So ist’s gut, alter Junge.«
»Wo warst du denn?«, sagt sie, beugt sich zu ihm hinunter und knuddelt ihn. »Wo warst du denn, du alter Schlingel? Ich weiß, ich weiß. Du bist los und hast dich im Fluss nass gemacht.«
Buster riecht nach Fäulnis und Wasserpflanzen. Er streckt sich auf dem Vorleger zwischen dem Sofa und dem Fernseher aus.
»Er hat wieder seine Verdauungsprobleme, das ist es. Deshalb ist er ins Wasser gegangen. Das brennt so sehr, dass er ins Wasser geht, damit’s besser wird. Aber das wird erst besser, wenn es raus ist. Erst dann«, sagt sie und knuddelt ihn in dem Handtuch, das sie benutzt, um ihn abzutrocknen. »Armer alter Kerl.«
Sie erklärt mir wie schon öfter, woher Busters Verdauungsprobleme rühren, nämlich davon, dass er am Putenstall herumstöbert und alles frisst, was er da findet.
»Zeug von toten Puten. Mit Federkielen drin. Er kriegt sie in die Eingeweide und kann sie nicht ausscheiden wie ein junger Hund. Er wird nicht damit fertig. Sie klumpen sich in seinem Darm zusammen und blockieren alles, und er kriegt’s nicht raus und hat fürchterliche Schmerzen. Hör ihn dir bloß an.«
Und wirklich stöhnt und ächzt Buster. Er rappelt sich auf.
Chnch. Chnch
.
»Vielleicht geht das die ganze Nacht so. Ich weiß nicht. Kann auch sein, er kriegt’s überhaupt nicht raus. Davor hab ich solche Angst. Zum Tierarzt brauch ich ihn gar nicht zu bringen, der wird ihm nicht helfen. Der wird mir nur sagen, er ist zu alt, und wird ihn einschläfern wollen.«
Chnch. Chnch
.
»Kommt nicht mal wer mich ins Bett bringen«, sagt Mr Ellers, der Eisenbahner. Wobei er, halb aufgerichtet, in seinem Bett liegt. Seine Stimme ist scharf und kräftig, aber er weckt meinen Vater nicht auf. Die Augenlider meines Vaters flattern. Sein Gebiss ist herausgenommen worden, sodass seine Mundwinkel eingesunken und seine Lippen fast verschwunden sind. Sein Gesicht trägt im Schlaf den Ausdruck unversöhnlicher Enttäuschung.
»Maul halten, Schluss mit dem Krach da draußen«, sagt Mr Ellers zum stillen Flur. »Maul halten, oder ich verhänge eine Geldstrafe von hundertachtzig Dollar.«
»Halt selber’s Maul, du alter Schwachkopf«, sagt der Mann mit dem Radio und stellt es an.
»Hundertachtzig Dollar.«
Mein Vater schlägt die Augen auf, versucht sich aufzusetzen, sinkt zurück und sagt zu mir in einem Tonfall von einiger Dringlichkeit: »Woher wissen wir, dass der Mensch das Endprodukt ist?«
Nimm die Hände aus meiner Tasche
…
»Die Evolution«, sagt mein Vater. »Kann doch sein, dass wir die ganze Sache falsch verstanden haben. Dass etwas vorgeht, von dem wir keine Ahnung haben.«
Ich fasse seinen Kopf an. Immer noch heiß.
»Was denkst du darüber?«
»Ich weiß nicht, Dad.«
Weil ich nicht denke – weil ich nicht über solche Dinge nachdenke. Ich tat es früher einmal, aber jetzt nicht mehr. Jetzt denke ich über meine Arbeit nach, und über Männer.
Seine Gesprächsenergie verebbt bereits.
»Kommt vielleicht wieder – ein neues Mittelalter.«
»Meinst du?«
»Irlma ist uns beiden voraus.«
Seine Stimme klingt für mich liebevoll, doch wehmütig. Dann lächelt er schwach. Das Wort, das er sagt, ist, meine ich …
Wunder
.
»Buster hat’s geschafft«, begrüßt mich Irlma, als ich nach Hause komme. Sie strahlt übers ganze Gesicht vor Erleichterung und Siegesfreude.
»Ah. Das ist gut.«
»Gleich nachdem du ins Krankenhaus gefahren bist, hat er damit angefangen. Ich mach dir schnell eine Tasse Kaffee.« Sie steckt den Elektrokessel in die Steckdose. Auf dem Tisch stehen schon Schinkensandwiches, Senfgurken, Käse, Kekse, dunkler und heller Honig. Es sind erst ein paar Stunden
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