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er ganz einfach Mado nannte, was
angeblich so üblich sein sollte. Ich bitte Sie!
„Bringen Sie doch bitte einen
Satz Fotos für Mademoiselle, ja?“
Die Dulaure verschwand und kam
mit den Fotos wieder.
„Das macht tausend Francs“,
sagte sie.
Ich trennte mich von einem
schönen neuen Schein. Ein starkes Stück, hätte ein guter Bekannter von mir
gesagt. Ganz schön teuer, das blöde Grinsen des Sängers, obwohl das sicher noch
ein Freundschaftspreis war. Falls diese Mademoiselle Dulaure — man kann nicht
von mir verlangen, daß ich sie Hélène nenne — , die anscheinend mit dem
begrenzten Charme der Bilder von Gil Andréa Geld machte, tatsächlich die
Angestellte von Mado (Mado!) war, dann hatte diese Mado Interesse an dem Club,
egal was sie behauptete. Ich merkte es mir. Nestor Burma würde die notwendigen
Schlüsse daraus ziehen. Sein Gehirn ist dafür eingerichtet. Ich steckte die
Fotos in meine Tasche.
„Ich kann mir doch eine Widmung
draufschreiben lassen, nicht wahr?“ fragte ich mit jammernder Stimme. Wirklich,
ich spielte gut mit.
„Aber ja!“ rief Mademoiselle
Gabrielle. „Dafür haben Sie sie doch.“
„Mademoiselle Froment hat
gesagt, daß er heute nachmittag kommt.“
Sie seufzte:
„Er wollte kommen. Aber er ist
verhindert. Er hat soviel Arbeit. Seine Kunst frißt ihn auf!“
„Natürlich.“
Ich blickte enttäuscht.
„Aufgeschoben ist nicht
aufgehoben“, tröstete mich Gabrielle.
Sie betrachtete mich sehr
aufmerksam und lächelte mir zu: „So hübsch, wie Sie sind, werden Sie ihm
gefallen. Sie werden ihm bestimmt gefallen.“
Ich sagte nichts, dachte mir
aber meinen Teil. Sie kam mir wie eine Kupplerin vor.
„Und jetzt“, sagte sie und
stand auf, „möchte ich sie unserer großen Familie vorstellen.“
Wir gingen nach nebenan in den
Versammlungsraum, die Dulaure auf ihren dicken Beinen voran. Es wurde um Ruhe
gebeten. Seine neueste Langspielplatte wurde gespielt. Das Geschnatter war
verstummt. Jemand nannte den Titel der Platte. Wenig später erklang Gil Andréas
Stimme. Das Ganze dauerte dreißig kostbare Minuten, die mir wie eine Ewigkeit
schienen. Da mich das, was der Sänger von sich gab, murmelte oder jaulte, nicht
die Bohne interessierte, nutzte ich die Zeit, um die andächtige Zuhörerschaft
unter die Lupe zu nehmen. Es waren ungefähr hundert Personen, nicht alle vom
schönen Geschlecht, wie uns manche überhöflichen Männer nennen. Auch Verehrer
befanden sich unter den Verehrerinnen. Ich zählte ein halbes Dutzend,
vorwiegend picklige Halbwüchsige, die mit aller Macht ihr Idol nachahmten,
Frisur, Krawattenknoten, Benehmen usw. Nicht ohne Überraschung bemerkte ich in
der Menge einen reifen Mann von vierzig Jähren. Ziemlich sympathisch, obwohl
sein Blick für meinen Geschmack ein wenig spöttisch war. Seitdem ich in der
Agentur Fiat Lux arbeite, habe ich so meine Erfahrungen gesammelt. Dieser Mann
da war ein ganz Schlauer, einer, der sich als Seelentröster anbot für die, die
Gil Andréa untröstlich machte. An Frauen waren alle Typen vertreten, von ganz
jung bis ganz alt, von ganz elegant — aber nicht übertrieben — bis geschmacklos
wie die Dulaure. Junge Mädchen waren zusammen mit ihren Müttern da.
Nach einem gelungenen Jaulando
des Sängers endete die Platte. Beifallssturm. Bewunderndes Gemurmel. Dann stieg
Mademoiselle Gabrielle auf ein Podest und verkündete, daß Gil Andréa nicht
kommen konnte. Bestürzung machte sich breit. Einige waren nahe daran zu weinen.
Für manche wäre das nicht schlecht gewesen. Die Tränen hätten die nicht gerade
geschmackvolle dicke Wimperntusche abgewaschen. Ich behaupte nicht, mehr vom
Schminken zu verstehen als andere, aber trotzdem... Mademoiselle Gabrielle
fügte noch hinzu, daß ihr Schwarm das nächste Mal länger als üblich bei ihnen bleiben
würde. Damit hatte die aufgedonnerte „Putzfrau“ ihre schwierige Aufgabe
gemeistert. Dann ging sie mit mir von Grüppchen zu Grüppchen. Als sie meinte,
ich könnte mich ohne ihre Hilfe zurechtfinden, ließ sie mich mitten unter
diesen Verrückten alleine.
,Schnuppern Sie die Atmosphäre.
Lassen Sie sich einlullen. Sie sind gerissen genug, um herauszukriegen, wo da
was faul ist, wenn was faul ist. Es kann doch nicht so schwer sein, diesen
Vollidioten die Würmer aus der Nase zu ziehen!’ Nestor Burma hatte gut reden.
Den hätte ich hier sehen mögen!
Seit ein paar Minuten folgte
mir ein schmächtiges, häßliches Mädchen wie ein Schatten. Sicher von
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