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Titel: wsmt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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ein Hotelfriseur bewegte. Und ein Akzent! ... Also
wirklich, ein Akzent... Unbeschreiblich! Ein undefinierbarer Schmalz. War wohl
extra erfunden worden, um solche Liedchen zu trällern. Und die Texte gingen mir
nun wirklich nicht zu Herzen. Übrigens hatte er den Akzent nur, wenn er sang.
Die wenigen Worte, die er zwischen den Liedern sagte, um Titel und Namen der
Texter oder Komponisten anzusagen, waren völlig akzentfrei. Wie gewöhnlich
erfüllte dröhnender Beifall den Saal, als Gil Andréa die Bühne betrat, und
später, als er sich winkend verabschiedete. Und natürlich auch nach jedem Lied.
Dieser tosende Beifall hatte Nestor Burma in seiner Einstellung verstärkt.
    „Nach einer solchen Vorstellung
muß man sich erst die Ohren waschen“, hatte er zu mir gesagt.
    Danach schleppte er mich zu
sich nach Hause. Dort mußte ich mir Plattenaufnahmen von Patachou, Damia, Edith
Piaf, Clara Nox und noch anderen anhören. Nach Gil Andréa war das eine
wohltuende Abwechslung.
    Edith Piaf schreit manchmal
etwas zu sehr; aber man kann es nicht abstreiten: sie hat etwas, das unter die
Haut geht.
    Und Patachou! Die hat auch einen
Akzent. Einen schönen Pariser Akzent. Und eine Stimme, warm wie die Sonne, die
den Montmartre vergoldet und Sacré-Coeur erstrahlen läßt.
    Danach Damia...Nestor Burma
behauptet, daß es solch eine Stimme nicht zweimal gibt. Dieses erregende
Timbre, manchmal von einem Schluchzer unterbrochen! Mit Recht wird sie die
Tragödin des Chansons genannt. Und alle Gil Andréas zusammen...“
    Darauf folgte eine Flut von
wüsten Beschimpfungen und Flüchen. Ich sagte:
    „Warum regen Sie sich denn so
auf? Das lohnt doch nicht. Sie vergleichen Dinge, die nicht miteinander zu
vergleichen sind.“
    „Lassen Sie mich nicht nach
einem passenden Vergleich suchen, Hélène. Übrigens... Was meinen Sie: war der
Hohlkopf in Form oder nicht?“
    „Ich habe nichts
Außergewöhnliches an seinem Verhalten bemerkt. Sie?“
    „Ich auch nicht.“
    „Wie sollen wir das auch
beurteilen können? Wir kennen ihn doch kaum, haben ihn eben zum ersten Mal
gesehen. Vielleicht muß man hinter ihm herlaufen...“
    „Hinter ihm herlaufen, Hélène?
Wollen Sie damit sagen, ich soll mir ein Abonnement besorgen und wer weiß
wieviele Scheiß-Vorstellungen wie eben über mich ergehen lassen...?“ Wieder
hagelte es Beleidigungen. Das nannte er also „Ohrenwaschen“! Um das Kapitel
abzuschließen, legte er La rue de
notre amour auf.
    Nestor Burma ist wie alle
anderen Männer. Wenn er eine lästige Arbeit auf eine schwache Frau abwälzen
kann, tut er es. Er dachte mit Schaudern an weitere Gesangsdarbietungen von Gil
Andréa. Es war für ihn aber ganz selbstverständlich, daß seine Sekretärin ihren
Samstagnachmittag opferte, um in die nächste Nähe des berühmten Sängers zu
kommen. Nach unseren Informationen sollte der nämlich an diesem Tag den Fanclub
mit seiner Anwesenheit beehren. Wer garantierte mir, daß er nicht singen würde?
Um zum Beispiel ein neues „Werk“ einzuüben? Also wirklich, ich kann Ihnen
sagen...“
    Die Clubräume befanden sich in
der Passage du Désir. Nicht dort, wo das Polizeirevier ist und die Torbögen der
Häuser mit so schönen Figuren verziert sind, sondern in dem Abschnitt von
Boulevard de Strasbourg bis Fauborg Saint-Denis.
    Als Nestor Burma weggefahren
war, überquerte ich den Boulevard an der Rue du Château-d’Etau. Da ich zu früh
dran war und das milde Wetter zum Spazierengehen einlud, ging ich zur Passage
Brady zurück und bummelte noch etwas an den Schaufenstern entlang. Genauer
gesagt, ich schaute mir einige Auslagen an, denn jede dieser Boutiquen breitet
sich aus und nimmt der Nachbarin Platz weg. Plötzlich sah ich mich in einem
Spiegel zwischen aufgestapelten Koffern und einem vollgehängten
Garderobenständer. Ich gefiel mir, vielleicht zu sehr. Wenn ich meine
zeitweiligen Glaubensschwestern im Gilandréanismus nur nicht zu eifersüchtig
machte! Ich trug einen bleistiftengen Rock (ich erwähnte ihn schon), eine Bluse
mit gewagtem Dekolleté und eine todschicke sportliche Winterjacke. Die
schwarzen Nähte meiner cognacfarbenen Nylonstrümpfe verliefen schnurgerade;
meine kastanienbraunen Haare sahen aus, als wäre ich soeben vom Friseur
gekommen. Ich gefiel mir sehr, und ich stand mit meiner Meinung nicht alleine
da. Einer von diesen Trotteln wagte es, mir an zwei oder drei Geschäften
entlang hinterherzugehen und mich dann anzuquatschen in einer Art, die ebenso
phantasielos wie

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