Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
oder ein Polit-Thriller, sondern – wenn wir davon ausgehen, daß der Teufel damals auf den Hügeln des Galiläerlands dem Herrn Jesus die Welt so gezeigt hat, wie sie wirklich ist, und nicht, wie Idealisten sie gern hätten – eine diabolische Analyse unserer politischen Verhältnisse. Nicht umsonst heißt ein anderer seiner Protagonisten Lucifer Clarence Dye, liegt das amerikanische Copyright einiger seiner Bücher bei einer Firma mit dem ominösen Namen Lucifer Inc. In einer Welt, in der die Hallelujarufe politischer Heilslehren seltsam kontrastieren mit nuklearen Abschreckungssystemen, haben die Romane von Ross Thomas eine geradezu luziferische Nützlichkeit: Sie immunisieren gegen ideologische Bakterien und möbeln die geistige Durchblutung auf.
II
Kenner seiner Bücher können sich an den fünf Fingern ihrer Führhand ausrechnen, daß Ross Thomas im Ring des Lebens einige besondere abgefeimte Tricks gelernt hat. Das Handwerk des Schreibens begann er – 1926 in Oklahoma City geboren – schon als College-Student am Daily Oklahoman auszuüben. Profi wurde er – nach Kriegsteilnahme und Abschluß seines Studiums mit dem Bachelor of Arts 1949 – als Reporter und Redakteur bei Zeitungen und Rundfunkstationen. Er gründete das Bonner Studio des AFN und war täglich in der Sendung »Report from Europe« zu hören (eine Tätigkeit, die in seinem ersten Roman prompt der Verräter Cooky Baker ausübt). Thomas stieg aber auch in die Werbung ein, und besonders ins politische Geschäft; sein amerikanischer Verlag umschrieb 1970 diese Aktivitäten so: »Er arbeitete als Public-Relations-Direktor für … überregionale Organisationen und ambitionierte politische Kandidaten in den USA, Europa und Afrika.« Ein Kollege aus der Branche erinnert sich an Thomas: »Ich sah zu, wie er das Skript für einen 30-Minuten-Film in zwei Stunden schrieb, und Reden hatte er meistens schneller fertig, als ein Durchschnittsmensch sich ein Thema ausdenken kann.«
Nach seiner Zeit in der Bundesrepublik ging Thomas für einige Zeit nach Nigeria, das er zum Schauplatz seines dritten Romans machte (The Seersucker Whipsaw/Urne oder Sarg, Sir?), des ersten, der sich mit dem Wahlkampfthema beschäftigt. In der Nixon-Ära lebte er – wo sonst? – in Washington; in diesen Jahren der großen politischen Depression hatte er sich aber längst aus dem politischen und journalistischen Tagesgeschäft zurückgezogen und legte Jahr für Jahr seinen Kommentar zur Zeit in einem neuen Roman vor, in Büchern, die, liest man sie heute an einem Stück, eine ätzende Chronique scandaleuse der 70er Jahre bilden – was sonst? Und wenn man die bisherige Produktion aus den 80er Jahren kennt, dann weiß man, daß das Jahr 1980 nun schon gar keine Zäsur zum Besseren darstellt. Man muß natürlich nicht die Romane von Ross Thomas lesen, um von tiefer Skepsis ergriffen zu werden, was die Entwicklung im »freien Westen« angeht; aber wenn man sie liest, weiß man besser, warum das so ist. In Zeiten wie unseren ist politische Paranoia ein Zeichen geistiger Reife, psychischer Stabilität und demokratischer Gesinnung.
III
Es muß Anfang der 70er Jahre gewesen sein, als mir der erste Ross-Thomas-Roman in die Hände fiel, The Cold War Swap/ Der Ein-Weg-Mensch, 1966 in den USA erschienen und im Jahr darauf als bester Erstling mit dem Edgar der Mystery Writers of America ausgezeichnet – rätselhaft, daß dieses Buch bei uns erst vier Jahre später erschien. Ich weiß noch, daß mich das Ding damals von der ersten Seite an elektrisierte. Hier war endlich wieder ein Autor, der Urvater Chandlers Forderung nach Stil und Magie ernst nahm, der auch seine Figuren ernst nahm, der wußte, wovon er schrieb – und der jenen Sog erzeugte, den ein Roman braucht, wie eine Strömung, die uns mitreißt, den Fluß hinunter, dorthin, wo alle Flüsse zusammenströmen und alle Fiktionen auch, im offenen Meer, im Mythos.
Mac McCorkle, abgebrühter Veteran des Zweiten Weltkriegs und Barbesitzer in Bonn-Bad Godesberg, das war nach all den schmalbrüstigen Marlowe-Imitatoren und den austauschbaren Abziehbildchen der Serien-Schönlinge endlich ein Mann nach meinem Geschmack – welterfahren, aber noch nicht allzu weise, skeptisch, aber noch nicht völlig zynisch, illusionslos vor dem ersten Drink und klug genug, um zu wissen, daß eine intelligente Frau besser ist als eine volle Flasche – jedenfalls an gewissen Tagen. Sein Partner war Michael Padillo, Spezialagent eines der kleineren
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