Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
und lächelte zu ihm hoch. »Goodbye, Quincy.«
»Goodbye«, sagte er und drehte sich um und machte sich auf den Weg zurück zu dem gelben Haus.
Sie stieg ein paar Stufen hoch und blieb stehen und wartete darauf, daß er sich umdrehte und vielleicht winkte. Als er es nicht tat, ging sie die restlichen 175 Stufen der Treppe aus Carrara-Marmor hoch, die zum Haus des Mannes mit sechs Windhunden führte.
Am nächsten Morgen, Donnerstag, dem dreiundzwanzigsten Juni, kam Randall Piers wie gewohnt kurz nach Sonnenaufgang mit seinen sechs Windhunden die Marmorstufen hinunter zum Strand.
Piers ging am Strand entlang, die sechs Windhunde in Erwartung des Handsignals dicht hinter sich. Als es dann kam, dieses irgendwie ruckartige, fast brutal wirkende Handsignal, grinsten sie und stürmten davon zum Pier, mit fliegenden Ohren und vor Begeisterung funkelnden Augen.
Als die Hunde zurückgetrabt kamen, machte Piers gerade einen Bogen um den toten Pelikan, der nun schon eine Woche am Strand lag, ohne daß jemand sich die Mühe gemacht hätte, ihn zu entfernen. Wenig später erreichte Piers das kleine gelbe Haus mit dem dunkelgrünen Dach und kletterte die Sanddüne hoch, die Windhunde wieder im dichten Rudel hinter sich.
Er stieg die Treppe zur Veranda hoch, zögerte und ging ums Haus herum zur halb verglasten Eingangstür. Das Haus war leer. Alles war ausgeräumt worden, nichts, nicht mal der übliche Müll, war zurückgelassen worden.
Er probierte die Tür. Sie war nicht verschlossen. Er trat ein und ging in die Küche und sah, daß doch etwas zurückgelassen worden war. Auf dem Herd stand die enorme Kanne aus Emaille, die eine Gallone Kaffee faßte. Er glaubte Kaffee zu riechen und ging zum Herd und berührte die Kanne. Sie war sehr warm, fast noch heiß. Dicht daneben auf der Geschirrablage standen ein paar unbenutzte Plastikbecher.
Piers goß sich einen Becher Kaffee ein und probierte ihn. Er war so gut wie immer. Piers schlenderte in den Wohnraum und blickte um sich und fragte sich, wohin sie gegangen sein mochten, der dünne Mann mit den Narben auf dem Rücken und der andere, der dicke, der Anwärter auf den Kaiserthron. Piers wünschte fast, er hätte sie näher kennengelernt, weil beide ausgesprochen interessante Männer waren – gewiß anders als die meisten, wenn auch nicht uneingeschränkt bewundernswert. Aber wer, zum Teufel, war das schon?
Randall Piers stellte fest, daß ihn lebhaft interessierte, was die beiden als nächstes tun würden. Als er da im leeren Haus stand und Kaffee trank, beschloß er, es herauszufinden. Aber aus vielen Gründen tat er es nie.
Die hohe Kunst des Komplotts
I
Seine Helden heißen Mac McCorkle, Clinton Chartelle, Decatur Lucas, Chubb Dunjee, Ancel Easter, Quincy Durant oder auch einfach Arthur Case Wu – aber dann handelt es sich schon um den Anwärter auf den Thron des Kaisers von China. Seine Geschichten beginnen mit Sätzen wie: »Er war wahrscheinlich der einzige Mensch, der an diesem Tag in Los Angeles Gamaschen trug.« Oder: »Es begann, wie das Ende der Welt beginnen wird: mit Telefonklingeln um drei Uhr morgens.« Oder: »Der mit Hammerzehen behaftete Freund und Berater von sechs Präsidenten war natürlich nicht tot. Noch nicht.« Und ihr Autor ist ein Experte für schmutzige Wahlkampftricks. Oldtimer-Autos, Bars, selbstbewußte Frauen, die Mechanismen politischer Entscheidungsprozesse in repräsentativen Demokratien, Katzen, Westafrika, Faustfeuerwaffen, Seven-layer Mint Frappés, smarte Kleidung, einfaches, aber gutes Essen und das Zusammentragen von scheinbar nebensächlichen Einzelheiten, zum Beispiel über die Mafia.
Seine Geschichten führen uns in die Welt von Barbesitzern und Geheimagenten, Wahlkampfmanagern und Gewerkschaftsbossen, Mittelsmännern und Wirtschaftsexperten, von denen einer auch schon mal zu jenen zwölf Männern in der Welt gehört, die wissen, was Geld ist; wenn sie über die Korrumpierung einer Kleinstadt berichten, dann können wir das anschließend selbst deichseln, und wenn sie uns in die Geheimnisse von Warentermingeschäften einweihen, dann wissen wir, warum wir besser die Finger davon lassen.
Bis heute hat Ross Thomas (auch unter dem Pseudonym Oliver Bleek) knapp 20 Romane geschrieben, die – falls wir die Unsitte der Schubladeneinteilung immer noch nicht über Bord geworfen haben – ihrem Autor den Anspruch auf ein eigenes Krimi-Genre eingetragen haben müßten. Ein Roman von Ross Thomas ist nämlich nicht einfach ein Krimi
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