Wu & Durant 01 - Umweg zur Hölle
geschnitten, der aus einem Steinbruch in Carrara stammte, aus dem Michelangelo sich bedient hatte, wie Piers seinen Gästen gern erzählte, obwohl er sich überhaupt nicht sicher war, daß das stimmte. Aber als Story machte es sich gut.
Die Stufen der im Zickzack angelegten Treppe waren fünfundvierzig Zentimeter tief und ein Meter achtzig breit, mit sanften Setzstufen von fünfzehn Zentimetern, die den Anstieg ganz bequem machten. Der Marmor war von einem schimmernden Weiß mit einem Hauch von Rosa, das manchmal, wenn der Sonnenuntergang genau richtig war, die Treppe aussehen ließ wie eine gezackte blutrote Narbe im blassen Gold des sandigen Kliffs.
Piers machte den Weg die Treppe hinunter und hinauf mit den sechs Windhunden normalerweise zweimal am Tag, direkt nach Tagesanbruch und direkt vor Einbruch der Dämmerung. Er bewegte die Hunde gut einen Kilometer in Richtung Point Dume und zurück. Das machte an die fünf Kilometer pro Tag. Zählte er noch Ab- und Aufstieg hinzu, kam er, was die Anstrengung, wenn auch nicht die Entfernung betraf, auf weitere drei Kilometer, und das reichte ihm, bis auf einen gelegentlichen Satz Tennis auf einem seiner beiden Plätze, an sportlicher Betätigung. Für diejenigen, denen die Treppe zu mühsam war, gab es eine Art Skilift mit Sitzplätzen für die, die zu müde zum Stehen waren. Piers hatte ihn aber bloß einmal benutzt, um sich zu überzeugen, daß er funktionierte.
Das Grundstück, auf dem sein Haus stand, reichte vom Meer bis zum Pacific Coast Highway und war zwei Morgen breit und sechs Morgen tief. Als er fünf Jahre zuvor dafür eine knappe Million Dollar bezahlt hatte, war man generell der Meinung, daß er verrückt war. Zu allem Überfluß hatte auf dem Grundstück auch noch ein Haus gestanden, ein großflächiges Ding mit vierzehn Zimmern, das 1932 solide und preiswert im kalifornischen Missionsstil errichtet worden war und seinerzeit als ein Paradestück galt, das zu bewahren lohnte, auch wenn es zum Denkmalschutz nicht ganz reichte. Fast jeder war ehrlich entsetzt, als Piers die Bulldozer kommen, das Haus einebnen und den Schutt auf die Müllhalde schaffen ließ.
Piers ersetzte es durch ein Zweiunddreißigzimmerhaus, von dem man in Ermangelung einer treffenderen Beschreibung stets als dem Herrenhaus sprach. Der Entwurf stammte von einem jungen japanischen Architekten in Tokio, der an den Plänen fast zwei Jahre gearbeitet hatte – ausschließlich. Der junge Architekt hatte fast zwei Jahre gebraucht, weil Piers darauf bestanden hatte, daß jedes Zimmer einen Meerblick haben müsse, und er hatte das Problem schließlich nachgerade genial dadurch gelöst, daß er das Haus um drei versetzte, zum Meer hin offene, U-förmige Innenhöfe baute. Die Los Angeles Times hatte ihn dafür als Genie gefeiert, was ihn ausgesprochen froh stimmte, weil ihn inzwischen die Araber mit Aufträgen eindeckten.
Das Haus war aus burmesischem Teakholz und Pittsburgher Glas und italienischem Marmor und mexikanischen Kacheln und philippinischem Mahagoni gefertigt worden, und exquisit war das meistgebrauchte Wort, um es zu beschreiben. Es hatte zwei Swimmingpools, einen drinnen, einen draußen, zwei Saunas, fünfzehn echte Kamine, zwei Küchen, eine Garage für sechs Wagen, neunzehn Badezimmer und ein Dutzend Wohnräume – die Zimmer für das Personal und die Hundezwinger nicht mitgezählt.
Der Kostenvoranschlag hatte sich auf 2,6 Millionen Dollar belaufen, aber durch die Inflation und das, was der japanische Architekt und die Bauunternehmer Piers’ »Könntenwirdochs« nannten, kostete es schließlich 4,9 Millionen Dollar. Die Könntenwirdochs waren Piers’ nicht zu bremsender Hang, in Form einer Anweisung vorzuschlagen, »hier könntenwirdoch Marmor statt Kacheln nehmen, und wenn wir schon dabei sind, könntenwirdoch da drüben noch ein Badezimmer mit einbauen«.
Als sich herumgesprochen hatte, wie teuer das Haus geworden war, gaben Piers’ Beobachter sich öffentlich geschockt und nicht öffentlich schadenfroh, und eine Zeit lang nannten die Leute das Haus den »Sechsmillionendollarflop«. Das dauerte, bis 1975 eine Maklerin aus Beverly Hills, die »gewisse ernsthafte Interessen in Kuwait« vertrat, wie sie sich ausdrückte, Piers die stattliche Summe von 10,6 Millionen Dollar bar auf die Hand bot, also fast das Doppelte dessen, was das Haus gekostet hatte.
Es war Viertel vor sieben, als Piers die Treppe geschafft hatte. Er übergab die Windhunde Fausto Garfias, dem O-beinigen
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