Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
trotzdem durchziehen, nicht wahr?« sagte Lydia Mott.
Stallings nickte und sagte dann: »Aber ich werde auch etwas Hilfe brauchen.«
»Händchenhalter«, sagte Mott.
»Kennst du welche?«
Mott steckte sich den letzten Bissen Kuchen in den Mund, kaute nachdenklich, legte die Gabel hin und stand auf. »Komm mit hoch.«
Stallings folgte seinem Schwiegersohn die Treppe hinauf in ein Zimmer, das einen sehr alten Rollsekretär, eine Couch für das Samstagnachmittagsnickerchen und eine auserlesene Stereoanlage beherbergte, auf der Mott die Opern abspielte, denen seine ganze Leidenschaft galt. Er winkte Stallings zu einem Sessel, setzte sich an den Schreibtisch und wühlte in den Schubladen und Geheimfächern herum, bis er die Visitenkarte fand, nach der er gesucht hatte.
Mott las die Karte, tippte damit gegen seinen Daumennagel, las sie erneut, blickte Stallings für einen langen Moment an, wandte sich dem Schreibtisch zu, nahm einen Kugelschreiber und schrieb zwei Namen auf die Rückseite der Karte.
»Diese beiden Burschen sind wahrscheinlich in etwa das, was du brauchst«, sagte Mott, während er schrieb. »Die üblichen unanfechtbaren Quellen haben verlauten lassen, daß sie sehr gut sind, einigermaßen ehrlich und furchtbar teuer. Bist du gewillt zu zahlen?«
»Ich rechne damit«, sagte Stallings.
Mott wandte sich wieder seinem Schwiegervater zu. »Als ich zuletzt von ihnen hörte, waren sie irgendwo draußen am Rand der Welt. Hongkong. Singapur. Bangkok. Malakka. Sie ziehen herum. Aber das ist ihr Kontaktmann in den Staaten. Gewissermaßen ihr Agent.« Er reichte die Karte Stallings, der feststellte, daß sie graviert war. Darauf stand:
MAURICE OVERBY
Haussitter der Stars
Auf der Karte stand lediglich eine Telefonnummer mit der Vorwahl 213, was, wie Stallings wußte, Los Angeles bedeutete. Er blickte zu Mott auf. »Wie spricht er sich? Maurice oder Morris?«
»Gute Freunde und flüchtige Bekannte nennen ihn normalerweise Otherguy. Und warum nennen sie ihn wohl so?«
Stallings lächelte. »Weil es immer ein anderer Kerl war,“ stimmt’s? Was immer es auch war.«
»Genau«, sagte Howard Mott.
5
Ohne Hemd, bekleidet nur mit ausgebeulten Khakishorts und einem Paar senkelloser Joggingschuhe der Marke New Balance, stand Otherguy Overby vor der viertürigen Garage, wartete auf Wasser und versuchte sich zu entscheiden, womit er zum Los Angeles International Airport fahren sollte. Er konnte zwischen einem Mercedes 560 SEC, einem Porsche 911 Cabriolet, einem siebensitzigen Oldsmobile-Kombi oder einem hochbeinigen Ford-Pickup mit Allradantrieb wählen.
Er hatte sich schon fast für den Mercedes entschieden, als er den Lastwagen knirschend über die lange Kiesauffahrt kommen hörte. Er drehte sich um und sah zu, wie sich die Peterbilt-Zugmaschine um die Ecke des riesigen Hauses schob und mit zischenden Luftdruckbremsen vibrierend zum Halten kam. Verbunden mit dem Peterbilt war ein Tankwagen, gefüllt mit zehntausend Gallonen einigermaßen sauberen Wassers, das bei Großabnahme für zwei Cent pro Gallone zu haben war.
Luis Garfias, der junge mexikanische Fahrer, zündete sich eine Zigarette an und starrte etliche Sekunden auf Overby herab, als versuche er, ihn einzuordnen. Schließlich nickte er zufrieden, wie manche Leute es tun, wenn es ihnen gelingt, einem Gesicht den entsprechenden Namen zuzuordnen. »Ihr Wasser, Señor Otherguy.«
»Du bist spät dran, Luis.«
Luis Garfias lächelte und blies etwas Rauch aus. »Deine Mutter«, sagte er, setzte den Peterbilt in Gang und kroch langsam auf den Zehntausend-Gallonen-Tank zu, der auf einem künstlichen Erdhügel rechts der Auffahrt ruhte. Der Hügel war hoch genug, um den Boden des Tanks auf gleiche Ebene mit der Dachkante des einstöckigen Hauses zu bringen, wodurch es der Schwerkraft ermöglicht wurde, ihre Arbeit zu tun und fließendes Wasser in die neun Badezimmer, zwei Küchen, drei Cocktailbars, zwei Jacuzzis und die eine Waschküche zu entsenden, ganz zu schweigen von dem achteckigen Swimmingpool, der allein zweimal im Jahr zwanzigtausend Gallonen benötigte.
Inzwischen mit einer Paisley-Krawatte, einem gestärkten weißen Leinenhemd, blankpolierten schwarzen Oxfords und dem bekleidet, was er als seinen nachtblauen Anzug bezeichnete, welcher etwa eine Nummer zu groß wirkte, öffnete Overby einen der beiden großen Kühlschränke, entnahm zwei Flaschen San-Miguel-Bier, riß die Kappen ab und reichte eine Flasche Luis Garfias, der auf einem
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