Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Kaiser von China, wer sonst?«
»Lieber Himmel.«
»Er hat sogar genealogische Tabellen und alles. Er hat sich außerdem ausgerechnet, daß, wenn es zirka zwei Revolutionen und drei Kriege gibt und dazu noch genau die richtigen zehntausend Leute sterben, sein ältester Zwillingssohn sowohl König von Schottland als auch Kaiser von China werden könnte.«
»Er hat Zwillingssöhne?«
»Zwillingssöhne und Zwillingstöchter. Pfiffige Kinder – jedenfalls, als ich sie zum letzten Mal gesehen habe. Die Mädchen sind jünger als die Jungs.«
Stallings goß langsam Bier in sein Glas nach und kostete es. »Er ist nicht … besessen von dieser Kaisernummer, oder?«
Wieder lächelte Overby verschlagen. »Artie geht davon aus, daß er der letzte der Mandschus ist.«
»Wie wär’s mit einer eindeutigen Antwort?«
Overbys Stirnrunzeln ließ ihn sowohl ernst als auch äußerst aufrichtig wirken. Stallings nahm an, daß dies eine seiner nützlichsten Mienen war. »Artie weiß genau, wer er ist«, sagte Overby. »Mehr als jeder andere, den ich je kennengelernt habe.«
»Und Durant?«
»Der gibt einen Scheiß drauf, wer er ist.«
»Wann haben Sie sie kennengelernt?«
»Am vierten Juli achtundsechzig, in Bangkok. Auf dem Botschaftsempfang.« Er unterbrach sich. »Der Botschafter hatte jeden eingeladen, der nur ein bißchen amerikanisch aussah. Sogar uns.«
»Was haben Sie damals in Bangkok gemacht?«
»Mich umgesehen. Dabei bin ich Wu und Durant über den Weg gelaufen, und die brauchten ein bißchen Zubehör für ein kleines Ding, das sie gegen den Chef der Niederlassung durchziehen wollten.«
»Den Chef der CIA-Niederlassung?«
»Wen sonst?«
»Und was ist passiert?«
Overby wirkte verblüfft. »Was meinen Sie, was passiert ist? Wir haben es durchgezogen und sind mit ungefähr dreiundsechzigtausend davonspaziert. Damals, achtundsechzig, war das ein Haufen Geld.«
»Aber was hat er gemacht?«
»Der Chef der Niederlassung? Er hat’s vertuscht. Was hätte er sonst tun sollen? Mit Sicherheit hat er nicht in der Gegend herumposaunt, was für einem schlimmen Fall von Habgier er doch erlegen ist.«
»Haben Wu oder Durant je bei Langley mitgemischt?«
Das Achselzucken, mit dem Overby antwortete, war ein bißchen zu gekünstelt, um Stallings zufriedenzustellen. »Heißt das: vielleicht ja, oder vielleicht nein?«
»Artie meint, sie waren vielleicht ohne es zu ahnen ein paarmal Agenten. Aber Durant sagt immer, sie wären ahnungslose Agenten gewesen, und ohne vielleicht. Sie sind viel rumgekommen, und manchmal haben sie einfach genommen, was sich gerade ergeben hat.«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit ihnen gearbeitet?«
»Vor sieben oder acht Jahren. Wir haben uns gemeinsam auf einen Deal eingelassen und sind alle gut dabei weggekommen.«
»Wo?«
»Hier. In Kalifornien.«
»Was für ein Deal war das?«
»Das geht Sie einen Scheißdreck an, oder?«
Sie starrten einander lange Zeit an, jeder auf ein Anzeichen von Schwäche beim anderen lauernd, bis sie letztlich feststellen mußten, daß es keines gab. Stallings beantwortete schließlich Overbys Frage. »Nein«, sagte er, »wahrscheinlich tut es das nicht. Mich einen Scheißdreck angehen, meine ich.«
Overby trank einen Schluck Bier und sagte: »Erzählen Sie mir von Ihrem Deal.«
»In Ordnung.« Stallings schwieg ungefähr zehn Sekunden, in denen er sich zurechtlegte, was er sagen wollte. »Jemand«, setzte er an, »und ich weiß nicht genau, wer, will mir eine halbe Million Dollar zahlen, um einen philippinischen Freiheitskämpfer und/oder Terroristen zu schmieren, damit er aus den Bergen runterkommt und nach Hongkong verduftet, wo ihn fünf Millionen US-Dollar erwarten. Das behaupten sie jedenfalls.«
Obwohl Overbys Augen und seine Miene ruhig, geradezu unbeteiligt blieben, verriet ihn seine Nase durch ein langes, langes Schnüffeln, als habe er plötzlich den süßen Duft von Profit gewittert. Auf das Schnüffeln folgte das weiße breite und ausgesprochen skrupellose Grinsen, das Stallings seltsam vergnügt vorkam.
»Sie brauchen Hilfe«, sagte Overby.
»Ich weiß.«
»Sie brauchen Wu und Durant.«
»Es scheint so.«
»Sie brauchen auch mich.«
Stallings hob seine Augenbrauen, um Überraschung zu bekunden. »Daran hatte ich nicht gedacht.«
Overbys skrupelloses, vergnügtes Grinsen kehrte zurück. »Natürlich nicht.«
»Es ist ein interessanter Gedanke.«
»Wo hat dieser Freiheitskämpfer und/oder Terrorist sein Schlupfloch – mitten im
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