Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Fahrer der Limousine des Manila-Hotels. Die Taxifahrer verbürgten sich für ihn unter lautem Rufen: »Ist wahr, ist wahr!«
Stallings war seit über vierzig Jahren nicht mehr in Manila gewesen. Damals hatte er die Stadt nach den heftigsten und sinnlosesten Straßenkämpfen des ganzen Krieges hatte er praktisch zerstört vorgefunden. Unterwegs zum Manila-Hotel, auf dem Vordersitz des schwarzen Mercedes, sah er, daß fast alles wieder aufgebaut worden war, daß alles ziemlich abscheulich aussah und daß er außer den Slums fast nichts wiedererkannte. Die Slums waren noch genauso, wie er sie in Erinnerung hatte.
Ende August 1945 waren Booth Stallings und Alejandro Espiritu von einer C-47 der Army von Cebu nach Manila geflogen worden, wo das Gerücht umging, daß MacArthur persönlich in einer, wie ein Flugblatt es vorhersagte, »kurzen, aber bewegenden Feier« die Ordensverleihung vornehmen werde.
Der Hauptzweck der Veranstaltung sollte darin bestehen, dem gefallenen Sanitätsgefreiten Hovey Profette aus Mena, Arkansas, postum das Verdienstkreuz Erster Klasse für seine außergewöhnliche Tapferkeit im Einsatz zu verleihen. Espiritu und Stallings sollten für ihre geringeren Verdienste Bronze-Sterne an die Brust geheftet bekommen. Die Reise nach Manila war für beide der erste Flug ihres Lebens gewesen.
MacArthur hatte sich natürlich nicht blicken lassen, und die Aufgabe, die Orden für einen toten Sanitäter, einen lebenden Second Lieutenant und einen abgehalfterten Guerillero mit verdächtigen politischen Ansichten zu überreichen, fiel MacArthurs rechter Hand zu, Major General Charles A. Willoughby, der in späteren Jahren der enge und hoch geschätzte Partner eines anderen einzigartigen Amerikaners, nämlich H. L. Hunt, werden sollte.
Espiritu bekam seinen Orden zuletzt. Während der General ihn anheftete, murmelte er auf englisch Glückwünsche. Espi ritu lächelte und murmelte auf Tagalog oder Cebuano zurück – niemand wußte genau, was von beidem. Viele Jahre später sollte Willoughby behaupten, Espiritu habe gesagt: »Der eigentliche Kampf steht uns noch bevor, General.«
Die kurze und nicht sehr bewegende Feier war in einem der wenigen unversehrten Zimmer des nahezu ausgebombten Manila-Hotels abgehalten worden, desselben Hotels, in das Booth Stallings vierzig Jahre später zurückkehren sollte. Als auch noch der rangniedrigste Presseoffizier gegangen und niemand mehr übrig geblieben war außer dem Second Lieutenant der Infanterie und dem Guerillero, hatte Booth Stallings auf den Orden an seiner Brust hinuntergeschaut, ihn abgenommen und in seine Gesäßtasche gesteckt. Espiritu tat es ihm gleich und fragte Stallings: »Wohin gehst du jetzt?«
»Wies aussieht, nach Japan«, sagte Stallings. »Besatzung.«
»Ich meine heute nachmittag.«
»Ich hatte irgendwie vor, mich irgendwie zu besaufen.«
»Kann ich dir Gesellschaft leisten?«
»Du trinkst doch gar nicht, Al.«
»Ich kann billigen Gin für dich auftreiben, mit den Nutten feilschen, die Luden abwimmeln und mich sonstwie amüsieren.«
»Okay«, sagte Stallings. »Gehen wir.«
Die Sauferei dauerte zwei Tage und drei Nächte. Als sie schließlich am 28. August 1945 Abschied nahmen, war sich Stallings sicher, daß er Alejandro Espiritu nie wiedersehen würde.
Im Manila-Hotel kannte man Otherguy Overby, und das Willkommen war warm und überschwenglich. Während er durch die riesige, mit feinstem Marmor ausgelegte und seltenen Hölzern getäfelte Lobby schritt, verteilte Overby knisternde neue Fünf-Dollar-Noten an Pagen und Gepäckträger und Türsteher, von denen er einige namentlich begrüßte. Stallings schätzte, daß Overby sich von annähernd sechzig Dollar verabschiedet hatte, bis er beim stellvertretenden Direktor und einem weiteren herzlichen Willkommen angelangt war.
Aber als Overby sich umdrehte, um die Lobby mit kundigem Blick zu überschauen, wechselte der Ausdruck des elegant gekleideten stellvertretenden Direktors von der Miene des Willkommens zum Fatalismus eines Menschen, der weiß, daß er gleich einen reingewürgt bekommen wird.
Overby beendete seine Inspektion mit einem verständnisvollen Lächeln. »Wie sieht’s mit der Belegung aus, Ramon?« fragte er. »Zirka vierzig, fünfundvierzig Prozent, jetzt, nachdem die ganze Aufregung vorbei ist?«
Der stellvertretende Direktor schüttelte den Kopf. »Besser, Otherguy. Viel besser.«
»Das hoffe ich doch.« Overby wandte sich um, bedachte die Lobby mit einem
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