Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
getroffen wurde. Ihre Augen weiteten sich, und ihr Gesicht erbleichte. Sie öffnete den Mund, um tief durchzuatmen. Einen Augenblick lang dachte Stallings, sie könne anfangen zu hyperventilieren. Aber dann überzog tiefes Scharlachrot die plötzliche Blässe, und sie benutzte ihren Atem, um Overby anzufauchen.
»Otherguy, du verdammter Dreckskerl!«
»Was ist los?« fragte Stallings.
Overby warf ihm ein unfreundliches Lächeln zu. »Wir vier haben in Mexiko vor langer Zeit ein paar Sachen gemeinsam durchgezogen. Sie, ich, Durant und Wu. Nachdem Georgia und ich Schluß gemacht hatten, hat Durant sie sozusagen als Abpraller erwischt, und ich schätze, sie ist noch nicht darüber hinweg. Stimmt’s, Georgia?«
»Du Scheißkerl.«
»Können Sie mit den beiden nicht arbeiten?« sagte Stallings.
»Für eine Million kann ich mit jedem arbeiten«, sagte sie. »Sogar mit Overby.«
»Und Durant?«
»Mit dem auch.«
»Ein hübscher Zufall, nicht wahr?« fragte Stallings. »Daß Sie Otherguy und auch Wu und Durant kennen.«
Georgia Blue starrte Overby an, sprach aber mit Stallings. »Wer hat Ihnen dieses Paket verkauft, Booth?«
»Ein Mann in Washington namens Howard Mott. Kennen Sie ihn?«
Sie ging in ihrem Gedächtnis eine Liste von Namen durch. »Anwalt?«
Stallings nickte.
»Ich hab von ihm gehört, kenne ihn aber nicht. Sollte ich?«
»Er ist mein Schwiegersohn.«
Der Blick, den Georgia Blue Stallings zuwarf, funkelte vor purer Bosheit. »Tja, ich verstehe natürlich, wie erleichtert Sie sein müssen, daß ich ihn nicht kenne. Ihr Schwiegersohn.«
»Sehr erleichtert«, sagte Stallings. »Außerordentlich erleichtert sogar.«
13
Overby richtete es so ein, daß er die fünftausend Dollar hatte und Georgia die kleine, flache Walther-Halbautomatik. Sie hatte sie hinten in ihre Jeans geschoben, verdeckt von den Schößen des Hawaiihemds, das Overby in einem der Läden des Manila-Hotels für sie ausgesucht hatte. Die Walther gehörte ihr.
Es war beinahe 22 Uhr, als sie im Fahrstuhl in die Lobby hinunterfuhren. »Wir sind Herr und Frau Otto G. Normaltourist«, sagte er. »Das G steht für gelangweilt, und wir brechen zu einer halbwegs dreckigen Nacht in die Innenstadt auf.«
»Huch, das ist ja fast so was wie ’ne Tarnung, oder?«
Overby seufzte. »Wenn ich einen Haufen Geld mit mir in Ermita rumschleppen muß, dann möchte ich niemandem auffallen. Und wenn ich versuche, Boy Howdy auf fünftausend zu drücken, dann will ich dabei so abgebrannt wie möglich aussehen.« Er musterte sie kritisch. »Das Problem mit dir ist, daß du nicht mal abgebrannt aussehen kannst.«
»Mein Gott«, sagte sie, als die Fahrstuhltür aufglitt, »ich glaube, du hast mir gerade ein Kompliment gemacht.«
»Träum weiter«, sagte Overby, während er vor ihr aus dem Aufzug trat.
Draußen vor dem Hotel versuchte der Portier, Overby die Sicherheit und den Schutz einer Hotellimousine schmackhaft zu machen. Als Overby ihn abwies, zuckte der Portier die Achseln, pfiff ein Taxi heran, schrieb etwas auf einen kleinen Block, riß das Blatt ab und reichte es Overby, der es unbesehen an Georgia Blue weitergab.
Oben auf den Zettel war der Name des Hotels gedruckt. Darunter stand der warnende Vermerk: »Werter Gast, zu Ihrer Sicherheit und Bequemlichkeit möchten wir darauf hinweisen, daß das Fahrzeug, das Sie gerade besteigen, die folgende Kennung hat.« Dahinter hatte der Portier Namen und Nummer des Taxis aufgeschrieben.
»Für den Fall, daß man uns eins über den Kopf zieht und ins Meer schmeißt, stimmt’s?« fragte Georgia Blue.
Overby nickte, während das fünf Jahre alte Toyota-Taxi neben ihnen hielt und sie hinten einstiegen. Als Overby sagte, er wolle zu Boy Howdy nach Ermita, bot der Fahrer an, sie zu einem viel netteren Lokal zu bringen, dem seines Vetters, wo sie nicht halb so unverschämt betrogen würden. Overby mußte das Angebot zweimal ausschlagen, bevor der Fahrer das Taxi startete und die Hotelauffahrt zum Roxas Boulevard hinunterschlich.
Die Fahrtstrecke war kurz, zog sich aber in die Länge wegen des starken Verkehrs und der Sex- und Sündenkundschaft, die die kurze, enge Einbahnstraße in Ermita verstopfte. Am hintersten Ende der Straße befand sich die große rosa Neonreklame, die Boy Howdys Namen in die Welt hinausblinkte. Mehr als zehn Clubs säumten diesen Teil der Straße, und vor jedem stand ein Schlepper, der in den höchsten Tönen die Wonnen pries, die den Gast im Inneren erwarteten. Ungefähr die
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