Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Hälfte der Schlepper waren Australier um die vierzig oder fünfzig mit verkniffenen Mündern und enttäuschten Augen.
Die hoffnungsfrohe Kundschaft bestand aus japanischen Geschäftsleuten mit modischer Sportkleidung und törichtem Grinsen, amerikanischen Soldaten, alle jung und viele betrunken, und kleinen Grüppchen männlicher Europäer, die hin- und hergerissen schienen zwischen Besorgnis und Verlangen. Der Rest der Menge setzte sich aus erwachsenen und minderjährigen Prostituierten beider Geschlechter zusammen plus einer Vielzahl von Zuhältern, Bettelkindern, Transvestiten, Taschendieben, Allzweckgaunern und vereinzelten amerikanischen Touristen mittleren Alters, die aussahen, als hätten sie den falschen Reiseführer gekauft.
Als das Taxi fünfzig Meter von Boy Howdys Lokal entfernt war, geriet es in einen Stau. Overby bezahlte den Fahrer. Sobald die Gäste aus dem Taxi waren, schaltete der Mann am Steuer den Motor ab, kurbelte die Fenster hoch, verriegelte die Türen und ergab sich resigniert einem Dampfbad von unbestimmter Dauer.
Overby ging voran, Georgia Blue hielt sich dicht hinter ihm und links zur Straßenseite, von wo der Ärger kommen würde, falls es welchen gäbe. Overby stapfte, getreu seiner Touristenrolle, mit großen Augen und einem breiten wichtigtuerischen Grinsen voran.
Der Ärger kam von einem großen, betrunkenen amerikanischen Matrosen, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck »All-American Fuckup« trug. Er packte Georgia Blues rechtes Handgelenk und verkündete: »Ich kann nichts dagegen tun – ich bin verliebt!«
Overby wandte sich um und sah unbewegt zu, wie Georgia Blue sich von ihm herumwirbeln ließ. Sie lachte fast, als der Matrose ihr gestand, daß große Frauen ihn antörnten. Aber dann schoß ihre linke Hand zu der großen rechten Pranke, die noch immer ihr Gelenk umklammert hielt. Ihre Finger suchten und fanden den Nerv, der direkt unterhalb des Daumennagels liegt. Sie krallte sie hinein. Der Matrose brüllte. Er brüllte weiter, während sie ihn in die Knie zwang, ihn losließ und wegging. Schnell sammelte sich eine kleine Menschenmenge und erörterte, ob der Mann auf den Knien schwer genug mitgenommen war, um ihn auszuplündern.
»Das hat dir Durant beigebracht, stimmt’s?« sagte Overby, als Georgia wieder zu ihm aufschloß.
»Hat er?«
»Ich hab ihn das mal in Bangkok mit ’nem großen Affen von den Special Forces machen sehen.«
»Es geht mir gut, Otherguy, aber lieb, daß du gefragt hast.«
Overby warf ihr einen raschen, verblüfften Blick zu. »Ich war nicht besorgt, falls du das meinst. Genau den Scheiß meinst du doch.«
Sie nickte leicht, sah weg und sagte: »Du hast recht. Genau den Scheiß meine ich.«
Der Schlepper vor Boy Howdys Laden war ein Australier mit Jockey-Statur, viel zu wenigen Zähnen und laut johlender Stimme. Er hatte ein gesundes Auge und ein trübes. Er richtete das gesunde Auge auf Overby.
»’ne ganze Weile her, Kumpel«, sagte der Schlepper.
»Sag ihm, daß ich hier bin.«
»Sag’s ihm selber.«
Wegen des rosa Lichtscheins, der von einer kleinen Bühne kam, auf der drei nackte Frauen – zwei Filipinas und eine Chinesin – sich lustlos einer irgendwie nach Aerobic aussehenden Orgie hingaben, war es in Boy Howdys Laden nicht ganz pechschwarz. Unten vor der Bühne spielte ein Trio, bestehend aus Piano, Schlagzeug und Saxophon, »Moon River«.
An zwei Wänden reihten sich Nischen, außerdem gab es eine dichtbesetzte Bar und zwei Dutzend sehr kleiner Tische, zwischen denen die Barmädchen auf der Jagd nach Beute herumstrichen. Das Lokal war etwas mehr als halbvoll, und die Gäste waren überwiegend Japaner, die sich die Show ansahen und in ihren Scotch mit Cola kicherten.
Ein Filipino mit spitzigem Riesenkinn und dichtem schwarzem, bis auf die Schulter reichenden Haar trat auf Overby zu und nickte. Er war ein kleiner Riese, über zwei Meter groß, und hatte die selbstbewußte Ausstrahlung eines altgedienten Rausschmeißers, der noch immer Spaß an seinem Metier hat. Drei gezackte Narben liefen wie Dienstabzeichen über seine rechte Wange.
»Wer ist die da?« sagte der Rausschmeißer und wies mit seinem Kantholzkinn auf Georgia Blue.
»Wanda Mae«, sagte Overby.
Der Rausschmeißer runzelte die Stirn. »Boy hat nix von irgend ’ner Wanda Mae gesagt.«
»Sie ist für die ganze Nacht und schon bezahlt, und ich will nicht, daß sie die Fliege macht«, erklärte Overby.
Das war etwas, das der Rausschmeißer verstehen konnte.
Weitere Kostenlose Bücher