Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Glaube ist eine wunderbare Sache.«
»Boy ist gewillt, für seinen Glauben – wie heißt es doch gleich? – sein Vermögen und seine heilige Ehre einzusetzen, was immer das sein mag. Seine Ehre, meine ich.«
»Er wünscht sich Marcos tatsächlich zurück?«
»Das tun viele. Aber Boy setzt alles, was er besitzt, darauf.«
»Wie stehen die Chancen, Abe?«
»Für die Rückkehr von Marcos?« Er schüttelte den Kopf.
»Für einen anderen?« Zweimal hoben und senkten sich seine Augenbrauen.
»Wen?«
Wieder signalisierten ihm Umalis Augenbrauen ihr »Wer weiß das schon?«.
»Hat Boy einen Favoriten?«
»Da mußt du ihn fragen.«
»Okay«, sagte Overby. »Das war meine erste Frage.«
»Wie viele willst du mir noch stellen?«
»Noch eine.«
Die Augenbrauen sagten, eine werde ihm noch zugestanden.
»Du kennst Cebu«, sagte Overby. »Du bist da geboren.«
Umali zuckte die Achseln.
»Sag mir, was du über Alejandro Espiritu weißt.«
Der dünne Mund des alten Mannes verzog sich zu einem breiten, scharfen und vorwurfsvollen Strich. Seine Augen wurden noch feuchter. Er schnüffelte, als wolle er entweder die Tränen zurückhalten oder als rieche er etwas Unangenehmes. Dann sagte er: »Verschwinde, Overby. Nimm dein Geld mit.«
Overby rückte seinen Stuhl vor, lehnte sich über den Tisch und tippte mit seinem rechten Zeigefinger auf den Umschlag. »Zweitausend Dollar, Abe. Für nur ein oder zwei Sätze.«
Der alte Mann seufzte. »Du, Wu und Durant habt euch mit Espiritu eingelassen. Na ja, ihr verdient einander. Aber ich will nichts davon wissen, Otherguy. Zum ersten Mal in meinem Leben will ich nicht der erste sein, der es erfährt.«
»Espiritu liegt dir im Magen, wie?«
Die Augenbrauen schnellten wieder hoch und nieder. »Als er noch ein Kind war, habe ich ihn bloß gefürchtet. Jetzt, als alter Mann, versetzt er mich in Furcht und Schrecken. Du kannst ihn nicht schlagen, weil er schlauer ist als du, Otherguy. Schlauer als Durant. Sogar schlauer als Artie, und der ist schon oberschlau. Ganz gleich wie, ihr könnt nicht gewinnen. Ganz egal also, wie fett das Geschäft ist, laß die Finger davon. Geh und zieh den mexikanischen General oder den Omaha-Banker mit jemandem in Hongkong oder Bangkok über den Tisch. Oder von mir aus auch in Singapur.«
Overby lächelte. »Er ist böse, wie?«
»Er ist tödlich.«
»Nimm dein Geld, Abe.« Umali schüttelte den Kopf.
»Ich möchte, daß du ihm eine Botschaft übermittelst.«
Furcht und Neugier kämpften im Gesicht des alten Mannes gegeneinander. Die Neugier siegte. »Von dir?«
»Du kannst ihm doch sicher eine Botschaft zukommen lassen, ohne daß einer von uns damit in Verbindung gebracht wird. Darin bist du gut, stimmt’s?«
Die Hand des alten Mannes kroch über den Tisch und blieb auf dem Geldumschlag liegen. »Wie lautet die Botschaft?«
»Von den Fünfen ist es Overby.«
Der alte Mann starrte ihn an. Sein gespitzter Mund verzog sich wieder zu einem mißbilligenden Strich. Sein linkes Auge quoll über, und eine einzelne Träne rann seine Wange hinab. Er machte sich nicht die Mühe, sie wegzuwischen.
»Du willst Wu und Durant aufs Kreuz legen, ja?«
Overby gab keine Antwort. Der alte Mann nahm den Umschlag mit dem Geld und klemmte ihn zwischen Bauch und Gürtelschnalle.
»Ich rede mit einem toten Mann«, sagte Umali. »Falls Espiritu dich nicht erledigt, tut’s Durant.«
Overby stand auf. »Kümmer dich drum, Abe.«
»Ich rede nicht gern mit Toten«, rief der alte Mann, aber da war Overby schon auf dem Weg zur Tür.
17
Das erste, was Booth Stallings sagte, nachdem ihm Durant Artie Wu vorgestellt hatte, war: »Wie sind Sie Thronanwärter geworden, Mr. Wu?«
»Möchten Sie ein Bier oder einen Drink?« sagte Wu.
»Ein Bier wäre gut.«
Durant ging zum Kühlschrank im Wohnraum und entnahm ihm drei Bier. Er reichte die Dosen weiter, ohne sie zu öffnen. Wu riß seine mit einem Plopp auf, nahm einen tiefen Schluck, seufzte vor Behagen und sagte: »Ich bin der illegitime Sohn der illegitimen Tochter des letzten Kaisers von China.«
»Des Knabenkaisers?« sagte Stallings ohne Überraschung, wobei er seine Bierdose aufriß. »Der alte Pu Yi?«
»Eben der«, sagte Artie Wu, erfreut, daß Stallings Ahnung hatte, und noch erfreuter, daß keine weiteren Erklärungen nötig wären.
»Mao hat ihn eine Zeitlang ins Gefängnis gesteckt, nicht wahr? Und dann hat er ihn in Peking zum Fremdenführer gemacht – oder wie immer man das heute nennt. Ist,
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