Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt
Kopf. »Nicht, solange ich meine Hälfte bekomme.« Dann zeigte er sein kurzes hartes und ausgesprochen skrupelloses Lächeln. »Haben Sie keine Angst davor, was Mr. Espiritu mit Mrs. Espiritu machen wird, wenn er herausfindet, daß sie ihn reingelegt hat?«
»Wie Sie sagten: Das ist mein Problem.«
Overbys Lächeln verschwand. »Die Sache ist riskant. Sehr riskant.«
»Ich bin Risiken gewöhnt.«
»Also, wann kann ich ihn sehen und meinen Sermon loswerden?«
»Sermon?«
»Verkaufsgespräch.«
»Ja. Natürlich. Wäre Ihnen heute abend recht?«
»Wo und wann?«
»Ich rufe Sie an«, sagte sie. »Im Hotel.«
»Gut«, sagte Overby, ging zwei Schritte zurück und schaute hoch zu dem Mosaikfenster. »Offen?«
»Die Kirche?«
Er nickte.
»Haben Sie das Bedürfnis zu beten?«
»Ich mag bloß alte Kirchen.«
»Sie ist offen«, sagte sie, machte kehrt und ging schnell davon. Nachdem Overby zugesehen hatte, wie sie um die entgegengesetzte Ecke der Kirche gebogen und verschwunden war, drehte er sich um, zog eine der schweren Türen auf und ging hinein. Da er abergläubisch, wenn auch nicht religiös war, ließ Overby fünfzig Pesos als Glücksbringer in den Opferstock fallen und nahm in der hintersten Reihe Platz. Dort verschränkte er die Arme vor der Brust und überlegte sich seine nächsten Schritte. Als er beim sechsten Schritt angekommen war, hörte er auf, da es nach dem sechsten zu viele Variable und Kombinationen gab. Aber als ersten Schritt würde er eine Waffe kaufen, wenn möglich einen fünfschüssigen Revolver eine Taschenwaffe. Wie er mit immer noch verschränkten Armen auf der Bank in der alten Kirche saß, fragte sich Overby, wo er seinen Kauf tätigen sollte, und entschied sich schließlich für Pier zwei. Und wenn nicht Pier zwei, dann Pier drei. An Pier drei konnte man immer so gut wie alles kaufen; es kostete allerdings immer etwas mehr.
25
Antonio Imperial, der Direktor des Magellan Hotels höchstpersönlich, trug Booth Stallings am Aprilscherztag des Jahres 1986 um 17.41 Uhr ins Register ein. Als er bemerkte, daß Stallings mit keinerlei Gepäck beladen war, lächelte er und sagte: »Hat die Fluggesellschaft Ihr Gepäck verloren, Mr. Stallings? Darin sind sie sehr gut.«
»Eine Verwechslung in Manila«, sagte Stallings, während er das Anmeldeformular ausfüllte. »Freunde von mir bringen es mit runter.«
»Mr. Wu und Mr. Durant?« Als er Stallings mit dem Anflug eines Stirnrunzelns aufblicken sah, fuhr Imperial rasch fort. »Otherguy – ich meine, Mr. Overby – hat sich um Ihre Reservierungen gekümmert, und nachdem Miss Blue bereits hier ist, nahm ich an, Wu und Durant würden Ihr Gepäck morgen mitbringen.«
Das Stirnrunzeln legte sich, und Stallings lächelte schwach. »Kennen Sie Otherguy schon lange?«
»Mehr als zwanzig Jahre.«
»Hat er sich sehr verändert?«
»Eine interessante Frage. Ich würde sagen, nein, eigentlich nicht. Er ist – na ja, zeitlos, vermute ich.« Imperial wandte sich um, nahm Stallings’ Zimmerschlüssel vom Haken, wandte sich ihm wieder zu, langte unter das Empfangspult und holte einen kleinen durchsichtigen und zugeschweißten Plastikbeutel hervor, der einen Wegwerf-Rasierapparat, eine Zahnbürste, winzige Tuben Rasiercreme und Zahnpasta und eine kleine Flasche Shampoo enthielt.
»Mit den besten Empfehlungen des Hauses«, sagte Imperial und legte den Schlüssel samt Plastikbeutel auf das Pult.
»Vielen Dank«, sagte Stallings. »Welches Zimmer hat Miss Blue?«
»Es ist direkt neben Ihrem, vier-sechsundzwanzig.« Imperial schnippte mit den Fingern, als sei ihm etwas eingefallen. Er wandte sich erneut um, griff nach einem kleinen Stapel Post, blätterte ihn durch, zog einen Brief heraus und reichte ihn Stallings. »Das ist kurz vor Ihrer Ankunft gekommen«, sagte er.
Stallings betrachtete den Umschlag, der quadratisch, weiß und billig war. Sein Name stand in Druckbuchstaben mit Tinte darauf. In die linke untere Ecke hatte jemand geschrieben: »Bei Ankunft aushändigen.« Stallings schob den Brief in die Gesäßtasche, nahm den Zimmerschlüssel und den Plastikbeutel und steuerte auf den Fahrstuhl zu.
»Wünschen Sie einen Pagen, der Sie nach oben bringt?« fragte Imperial.
Stallings drehte sich noch einmal um. »Nein, aber Sie könnten mir ein paar kalte Flaschen Bier hochschicken.«
Erst nachdem das Bier gekommen war und er eine halbe Flasche getrunken hatte, zog Booth Stallings den Brief aus seiner Gesäßtasche, hielt ihn ans
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