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Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt

Titel: Wu & Durant 02 - Am Rand der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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in die Berge hinauf war anfangs ganz ordentlich, verschlechterte sich jedoch bald zu löchrigem Belag und unebenen Schotterstreifen und endete schließlich als kurvenreicher, schmutzig-roter Feldweg, der kaum mehr als ein Trampelpfad war.
    »Warum haben Sie sich hier zur Ruhe gesetzt?« fragte Stallings. »Warum nicht Fort Sam in San Antonio?«
    »Bei all den anderen alten Knackern?« sagte Crouch kopfschüttelnd, während er den VW vor einer Kurve herunterschaltete. »Hab drei Kriege mitgemacht. Zwei schlechte und einen guten. In Seoul oder Saigon hätt ich mich – selbst wenn ich gekonnt hätte – garantiert nicht zur Ruhe gesetzt, und nachdem meine Frau tot und beide Kinder verheiratet oder geschieden waren, hab ich mir gesagt: Scheiß drauf, du magst die Filipinos und hast sie immer gemocht, also kannst du gleich da hinziehen und sehen, was zum Teufel passiert.« Hochzufrieden, diesmal mit sich selbst, schüttelte er wieder den Kopf und sagte: »Ist auf jeden Fall interessant gewesen.«
    Minutenlang fuhren sie schweigend weiter, bis Crouch sagte: »Al hat mir das Buch geliehen, das Sie geschrieben haben.«
    Stallings Erwiderung war ein unverbindliches »Ah«.
    »Ich kann nicht allem zustimmen, was Sie behaupten, aber mit dem meisten haben Sie sicher recht. Also schätze ich mal, ich muß Ihnen nicht sagen, daß Sie bei Al vorsichtig sein müssen, wenn Sie ein Geschäft mit ihm machen. Er ist tückisch.« Crouch schielte auf Stallings. »Aber ich denke mir, das haben Sie sich inzwischen längst gedacht.«
    »Schon vor langer Zeit«, sagte Stallings.
    Nach Stallings’ Schätzung waren es noch fünf Kilometer, die sie schweigend weiterfuhren. Demnach hatten sie bisher etwa neunzehn Kilometer zurückgelegt – oder nicht ganz die halbe Breite der Insel. Crouch fuhr in eine Kurve. Im Scheinwerfer des VW sah sie aus wie jede andere Kurve, aber er verlangsamte erst auf zwanzig, dann auf fünfzehn Stundenkilometer und hielt schließlich an.
    »Ende der Strecke«, sagte er.
    »Was passiert jetzt?«
    »Sie steigen aus, stehen rum und bewundern das Kreuz des Südens, falls Ihnen danach ist. Dann kommt Sie jemand abholen. Es wird nicht lang dauern. Sie sind irgendwo da draußen und warten bloß, um sicherzugehen, daß uns niemand gefolgt ist.«
    »Wie komme ich zurück?« sagte Stallings.
    »Keinen Schimmer.«
    Stallings öffnete die Tür, stieg aus dem Volkswagen und schaute auf Crouch hinab. »Danke fürs Mitnehmen.«
    »Vielleicht erzählen Sie oder Al mir eines Tages, worum, zum Teufel, es hier überhaupt geht.«
    Stallings nickte nur.
    »Vielleicht auch nicht«, sagte Crouch, während er in den Rückwärtsgang schaltete, wendete und den holprigen Bergpfad hinunterjagte.
    Stallings blickte hinterher, bis das VW-Cabrio um die Kurve verschwand. Er kam zu dem Schluß, daß ihn die Erwachsenen wieder einmal ganz allein losgeschickt hatten, als wäre er groß und vernünftig genug dazu. Auf der Fahrt hinauf waren ihm noch mehr vage Einzelheiten zu seinem ältlichen Chauffeur eingefallen. 1945 war Crouch ein sechsundzwanzig oder siebenundzwanzig Jahre alter Major gewesen, ein Kriegsnarr und ein Mann, der vor dem Krieg mehr getan hatte, als nur auf die Schule zu gehen. Er hatte entweder gearbeitet oder war dem Arbeitsdienst CCC beigetreten oder hatte sich im Land herumgetrieben oder hatte an der Michigan State University oder der Texas A & M abgeschlossen. Irgend etwas jedenfalls.
    1945 war Stallings diese Kluft von sieben oder acht Jahren Lebenserfahrung unüberbrückbar vorgekommen. Jetzt schien sie ihm noch genauso breit und ebenso tief. ›Werd lieber schnell erwachsen, Söhnchen‹, sagte sich Stallings, ›sonst stolperst du aus akuter chronischer Pubertät in die Senilität, ohne irgendwas dazwischen.‹ Er drehte sich um und schaute hoch zum Kreuz des Südens, nur um – mit einer Spur von Überraschung – zu entdecken, daß es sich, so wie er selbst, in den einundvierzig Jahren um keinen Deut verändert hatte.
    Stallings wußte nicht mit Bestimmtheit, wie lange er hinauf zum Firmament gestarrt hatte, bevor er sie hörte. Es waren mindestens fünf, vielleicht zehn, möglicherweise fünfzehn Minuten gewesen. Sie kamen stolpernd und im Dunkeln murmelnd den Berg herunter, und offenbar war ihnen gleichgültig, wie viel Lärm sie machten.
    Stallings wandte sich um, weil er dabei zuschauen wollte, wie sich das auf und ab tanzende Licht ihrer Taschenlampen näherte. Er zuckte zusammen, als ihm jemand, der sich leise von

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