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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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Punkperser, sagte Meret zärtlich, mein Mimi. Sie lachte.
    Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück, hat er ab da bestimmt nicht mehr geglaubt. Du kennst Mimi übrigens, von heute Morgen. Abrupt blieb Meret stehen.
    Kennst du eigentlich auch Vera?
    Wieso?
    Als Mädchen hat sie geflirtet, wie andere atmen. Merets Stimme klang plötzlich ziemlich schlecht gelaunt.
    Magst du deine Freundin Vera nicht?
    Früher schon.
    Und mittlerweile?
    Sind wir uns nicht mehr so nah.
    Was ist passiert?
    Das Leben.
    Sie bogen in den Narzissenweg ein. Du lebst wie ein Student, hatte Karatsch bei seinem ersten Besuch in Hannes’ Souterrainwohnung festgestellt.
    Ich kannte auch mal eine Vera, sagte Hannes, sie war Lehrerin an meiner Berufsschule.
    Warst du in sie verliebt?
    Ich glaube.
    Männer an sich verlieben sich schnell, sogar in einen Kartoffelsack, wenn man das richtige Parfüm darübergeschüttet hat.
    War deine Vera ein Kartoffelsack?
    Und deine?
    Meret fixierte ihn, und er wusste, gleich würde es losgehen. Sie würden das tun und dann das und dann das. Plötzlich beugte sie sich zum ihm und versuchte, sein Fahrrad mit der Hand am Sattel anzuhalten.
    Komm, sagte sie, komm mal näher.
    Hannes schob das Rad gegen den Widerstand weiter.
    Komm.
    Nein.
    Doch.
    Nein, sagte er, aber wandte das Gesicht in ihre Richtung. Sie nutzte den Moment und schlug zu.
    Was war denn das?
    Meine Meinung, sagte sie. Dann strich sie ihm über den Kopf. Zart, fand er.
    Unter seinem Bett musste dringend Staub gesaugt werden, sah er, als er eine halbe Stunde später neben ihr auf dem Teppich lag. Beide hatten sie Schuhe und Strümpfe ausgezogen und waren barfuß. Der Webläufer mit dem Muster aus Sonne, Mond und Sternen roch nach den Zigarren von Karatsch, der manchmal, wenn er spät noch in seiner Agentur über der Eisdiele gewesen war, auf ein Bier bei Hannes auftauchte, um bei der Tür bereits den immer gleichen Refrain zu wiederholen: Ich-bin-da-nicht-mehr-zu-Hause-wo-zu Hause-ist, darf ich reinkommen?
    Als Hannes Meret küsste, wünschte er sich, sie würde nicht nach dem Bier schmecken, das sie soeben in seiner Küche getrunken hatten. Das Mädchen in Schottland mit dem dunkelroten, fast blauen Lippenstift damals hatte nach Rotwein geschmeckt. Es war das erste Mal gewesen, dass er richtig geküsst und mit der Zunge das Herz eines anderen Menschen berührt hatte.
    Das letzte Mal mit einer Frau geschlafen hatte er wann eigentlich?
    Meret setzte sich mit gegrätschten Schenkeln auf ihn und trug Strümpfe, die ohne Strapse an den Schenkeln hafteten. Mit der Hand fuhr sie unter sein Hemd, das schöne, weiße aus Leinen, das am Kragen schon abgestoßen war, aber ein Geschenk seiner Mutter. Mit der Wange berührte sie seine Wange.
    Du hast mich noch gar nicht gefragt, was ich sonst noch für gute Ideen habe, außer der Sache mit dem Schnittmusterbogen.
    Was denn noch, sonst so?, sagte er, aber mit den Gedanken woanders. Noch immer passierte nichts, was ihm versichert hätte, er sei ein ganz normal empfindender Mann Mitte dreißig und in den letzten Monaten nur etwas aus der Übung.
    Öffentlich schlafen zum Beispiel, sagte sie, in einem von unseren sieben Schaufenstern von Haus Wünsche.
    Allein oder zu zweit?, fragte er. Das sollte zweideutig klingen, tat es aber nicht.
    Er schob ihr Haar aus seinem Gesicht. Es roch nach Seife und Pferd und ein wenig nach Nüssen. Sie betrachtete ihn wachsam. Ihre Augen waren wie das Licht einer Grubenlampe, das direkt in sein Dunkel hineinfiel. Das machte ihn noch verlegener, und gleichzeitig sah er, so unter ihr liegend, ihre Makel, sah die vielen feinen Falten um die Augen und den zu weichen, mit den Jahren unscharf gewordenen Übergang zwischen Kinn und Hals. Er und sein Hirn tauschten erbarmungslos Informationen aus. Müsste man zwei Stufen abblenden, sagten sie zueinander. Schließlich schob Hannes eine unsichtbare Lochbildkamera zwischen sich und Meret. So wurde ihr Gesicht zu einer ungefähren Landschaft, in der er zu verschwinden versuchte. Auch das gelang nicht.
    Sie stand auf.
    Er sah hoch.
    Jetzt geht sie, dachte er und ließ den Kopf auf den Teppich zurücksinken, um wie im Film darauf zu warten, dass etwas passierte, bis dieses Warten Spannung hieß.
    Aber Meret ging nur ins Bad. Die Lüftung fing an zu rauschen. Er hob wieder den Kopf, sah seine bloßen Füße und seine Schuhe einen Meter entfernt von sich auf dem Webläufer stehen. Wie tote Vögel in Lederbooten sahen die Socken darin aus. Auf

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