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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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Dabei hatten sie nur einen alten Film angesehen und Mettbrötchen dazu gegessen. Alle Geschichten gehörten irgendwie zusammen.
    Wie?
    Das müsste man den 31.   Dezember fragen.
    Da, sagte das Lehrmädchen. Der Volvo mit Meret am Steuer kam zurück. Gleich würde sie wie abgesprochen eine Frau in einem schwarzen ärmellosen Kleid mit tiefem Rückenausschnitt geben, die mit einem Coffee to go aussteigt. Eine Jazztrompete würde aus dem heruntergedrehten Wagenfenster wehen und den Bewegungen der Frau schmeicheln, während sie über die Straße ging. Nie würde man Merets Gesicht sehen, nur ihren Hinterkopf mit dem hochgesteckten Haar und dem immer noch schmalen, kindlichen Nacken. Keine konkrete Frau, hatte Hannes bei der Besprechung gesagt.
    Was denn sonst?, hatte Meret gefragt.
    5   :   27 zeigte der Timer der Kamera an, als Meret nicht wie vereinbart loslief, sondern beim Wagen stehen blieb. Sie stellte ihren Kaffee auf dem Wagendach ab und zupfte an einem langen Abendhandschuh, aufreizend langsam wie Rita Hayworth in Gilda . Der Handschuh hatte nicht im Skript gestanden. Gott weiß, woher sie den hatte. Sie schaute in die Kamera, während sie ihn auszog. Nur den einen, danach war sie wie nackt.
    Wer bin ich hier eigentlich, wenn ich nichts sage?, fragte sie über die leere Straße hinweg. Hannes, wer bin ich für dich? Hier?
    Stopp, rief Friedrich, stopp, stopp, und hatte bereits seine Position bei der Drehtür verlassen. Zwei Enden der Wolldecke hatte er ins Gitter gestopft.
    Stopp, Meret!!!
    Ich dachte, wir improvisieren.
    Aber sagen sollst du nichts, Schwester. Der Text kommt später, aus dem Off.
    Okay, aber wer bin ich bitte?
    Du bist quasi eine fiktive Figur. Eine Erzählerin, quasi.
    Muss man also quasi studiert haben, um das zu verstehen? Meret gähnte.
    Hannes ließ die Kamera weiterlaufen.
    Und meinst du wirklich, diesen Quasi-Kunst-Quark hier will überhaupt jemand sehen? Ich dachte, ihr wollt einen Dokumentarfilm über unseren Laden machen, das neue Geschäft im alten Haus Wünsche, dein und mein Erbe, über die Pläne. Über uns.
    Sie griff nach ihrem Becher auf dem Dach des Volvos.
    Überhaupt ist der ganze Film hier eine Zumutung!
    Mit einem Karateschlag mähte sie den Kaffeebecher vom Wagendach. Er flog in Friedrichs Richtung, der sich duckte. Noch immer lief die Kamera.
    Ich lass mich nicht missbrauchen, sagte Meret mit schneidender Stimme. Wenige Häuser weiter schloss jemand mit einem bösen Ruck ein Fenster. Das Licht des frühen Morgens schälte sich jetzt rascher aus seinem Grau, während Wünsche die leere Fahrbahn überquerte und auf Hannes zuging.
    Ausschalten, sagte er.
    Nicht gleich, antwortete Hannes mit zwei Fingern, die kurz hochschnellten. Aus dem Augenwinkel sah er, dass die Wolldecke heruntergefallen war. Meret schimpfte noch immer auf der anderen Straßenseite. Gleich wird sie gegen das Auto treten, sagte Friedrich leise, so war sie schon immer. Gleich wird sie ordinär.
    Verdammt, wer bin ich hier? Meret schlug mit der Faust auf das Wagendach.
    Eine gute Schauspielerin, sagte Wünsche leise. Hannes schaute zum Lehrmädchen, das die Wolldecke vom Gehsteig aufhob.
    Wie bitte?
    Eine gute Schauspielerin.
    Geht’s auch ein bisschen genauer?
    Vera, sagte Friedrich.
    Wie bitte?
    Wie Vera. War seine Idee. Er fand sie gut, in dem alten Film.
    Wünsche zeigte auf Hannes. Die Thermoskanne, die das Lehrmädchen längst einige Schritte entfernt auf einem Hydranten abgestellt hatte, gab ein hohes, feuchtes Zischen von sich, und Hannes schaltete die Kamera aus.
    Gegen acht zog der Betreiber des Büdchens auf dem Marktplatz die grünen Jalousien hoch. Er stellte Zeitungsständer und einen silbernen Stehtisch für Meret und Hannes ins Freie. Die Sonne fiel auf das Aluminium der Platte, und Meret blinzelte, als sie Hannes eine Plastiktüte herüberschob. Er reagierte nicht.
    Hallo Hannes, schläfst du etwa neben mir im Stehen ein wie ein altes Pferd?
    Sie griff in ihre Tüte und faltete mit kleinen, nicht mehr jungen Händen, die ihn rührten, einen Schnittmusterbogen auf dem Aluminiumtisch auseinander.
    Die Sonne blendete nicht mehr.
    Folgender Vorschlag, sagte sie, wie die ganze Szene von soeben mehr Spannung kriegt. Wir drehen die alberne Szene mit dem Volvo von heute früh nochmals, aber dann, wenn hier richtig Betrieb ist auf der Straße, oder wenn sogar Markt auf dem Markt ist. Wir nehmen dieses Mädchen fürs Skript und lassen sie vor der Kamera so tun, als sei sie fremd in der Stadt,

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