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Wünsche

Wünsche

Titel: Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kuckart
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dem Fensterbrett stapelten sich Fachbücher. Cinepassion. Das Kino träumt. Die Kunst des Filmschnitts . Seine elektrische Zahnbürste stand auf dem obersten Buch und blinkte ihn an. Richtig: Film war aus Zelluloid oder Silberhalogenid. Kupfer und Zinn verbanden sich leicht zu Bronze. Wie aber hieß eigentlich der Klebstoff, der so unterschiedliche Materialien wie Filmbilder und Erinnerungen zusammenhielt? Hatten Bilder eine erste Zeit, aus der sie stammten, und eine zweite, in der sie zum ersten Mal lesbar wurden, weil Erinnerung sie in ein zweites Entwicklungsbad geworfen hatte? Vera müsste das wissen. Schließlich hatte sie an der Berufsschule Gestaltungstechnik und Deutsch gegeben. Ja, Vera müsste das wissen.
    Das alles jetzt.
    Sie war schließlich schon die ganze Zeit mit dabei.
    Ich mach dann mal meine Lehre als Maurer fertig, hatte er zur Beruhigung seiner Mutter gesagt, aber wenige Monate später bereits die Schule für Film, Foto und Design in Dortmund besucht. Das Studium finanzierte er sich auf dem Bau. Noch während er in Dortmund war, kam über einen Freund der erste Auftrag vom regionalen Fernsehen. Rasch wurde er fester Freier bei einem lokalen Sender. Nicht ganz so rasch kamen die Zweifel. Die eigenen, und die der Kollegen. Freud träumte , ist das Ihr Ernst, Hannes Hungerland? Ja, ist sicher Ihr Ernst, hatte der zuständige Redakteur schließlich im letzten Herbst gesagt, wusste ich doch immer schon, wie gut Sie sich im Vagen auskennen, Hungerland. Hannes hatte für dessen Dokumentarreihe Fremde Nachbarn bereits Filme konzipiert und gedreht. Über eine zweiundvierzigjährige Kölnerin zum Beispiel, die als Drittfrau in einem Harem in Afrika lebte, oder einen ehemaligen Philosophieprofessor, der winters auf Warmluftschächten schlief, in städtischen Mülleimern nach Essbarem suchte und dabei mit halbleeren Pommesschälchen und angebissenen Brötchen laute Gespräche über das Geworfensein in die Welt führte. Hannes hatte für die 45-Minuten-Dokumentation sogar einen Preis bekommen. Der Redakteur hatte Hannes’ Exposé zusammengerollt und sich mit der Papierröhre gegen den Oberschenkel geschlagen. Freud träumte , hatte er immer spöttischer den Arbeitstitel wiederholt, und Hannes hatte den Kopf eingezogen. Die Wortkombination Freud träumte hatte er im Radio aufgeschnappt. Eine Zauberformel! Am Ende jenes Sonntagnachmittags und noch vor dem Fernsehkrimi war die Projektbeschreibung fertig gewesen, so schnell hatten seine Finger ihn über die Tastatur des Laptops gejagt, so rasend schnell, dass er sich selber kaum folgen konnte. Film und Traum haben eins gemeinsam, hatte er geschrieben, man ist oft und zu oft gern in ihrer Gesellschaft und ebenso verlassen in ihr. Träume, hatte er geschrieben, sind nur eine andere Art, sich zu erinnern.
    Aber, aber, ist doch nur ein Rohentwurf, hatte er im Gespräch noch einmal versucht, etwas gegen den Spott des Redakteurs einzuwenden. Vergessen Sie es, hatte der Redakteur gesagt, sonst vergesse ich, dass Sie einer meiner besten Freien sind. Eine Fügung des Himmels war es dann wohl gewesen, dass wenige Tage später Karatsch anrief: Erinnern Sie sich? An mich? An den 13.   September?
    Natürlich hatte Hannes sich an jenen Nachmittag im Flugzeug erinnert und auch an das kleine Gesicht einer Frau in der Menschenmenge, später, vor dem Gate.
    Natürlich hatte Hannes auch wegen dieses kleinen Gesichts einer Frau, die an dem Nachmittag nicht Witwe geworden war, die Einladung zu Silvester angenommen.
    Aber man musste nicht über alles reden. Nicht einmal mit sich selbst.
    Aus dem Bad hörte er, wie Merets ungeduldige Hände seine Schränke durchsuchten.
    Nein, er hatte keine Präservative im Haus. Hatte sie Angst, sich anzustecken? Verhüten musste sie wahrscheinlich nicht mehr. Oder doch? Aber er musste sich nicht um alles kümmern. Alt genug war sie.
    Da stand sie in der Badezimmertür. Die Lüftung rauschte noch immer in ihrem Rücken.
    Mach doch mal das Licht hinter dir aus, wollte Hannes sagen, ließ es aber, als er Meret auf sich zukommen sah. Ihre Augen waren gerötet.
    Hast du geweint?
    Nein, nur Probleme mit den Linsen, und sag mal, hast du irgendwo eine Wäscheleine?
    Wäscheleine?
    Er lachte heiser, versuchsweise verrucht, aber nur weil er hoffte, es werde sich so ein Gefühl einstellen, wenigstens irgendeins. Bitte, bitte, lieber Gott, schenk mir eine Erektion, betete er. Denn gleich würde sie ihn wieder küssen und in den Hals beißen, würde mit der

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