Würstelmassaker
wie Oberinspektor Wallner immer zu sagen pflegte.
Als er gegen 7.30 Uhr am Fundort eintraf, war die Tatortgruppe bereits voll in Aktion. Leider hatte der starke Regen mögliche am Boden vorhanden gewesene Spuren bereits zerstört. Immerhin bestand aber noch die Chance, dass der Täter auch wasserresistente Hinweise auf seine Identität hinterlassen haben könnte.
Der Hamburger Tourist, der das tote Bein gefunden hatte, war nur mehr ein Häufchen Elend. Er war total übermüdet, bejammerte den steten Kopfschmerz und den hartnäckigen Brand, der auf eine ausgedehnte Zechtour am Vorabend schließen ließ.
Vor allem aber machte er sich Gedanken wegen der Sorgen, die sich seine Frau sicher schon die ganze Zeit um ihn machte.
Wallner zeigte Verständnis für die Situation und gestattete dem alten Seebären, als der sich Herr Peddersen oder so ähnlich geoutet hatte, einen kurzen Anruf mit dem Diensthandy.
Die darauf folgende Lobeshymne auf die Freundlichkeit der Wiener im Allgemeinen und die der Polizei dieser Stadt im Besonderen endete abrupt, als der Zeuge plötzlich einnickte. Da von ihm in diesem Zustand über das bereits Ausgesagte hinaus kaum noch nennenswerte Erkenntnisse zu erwarten waren, ließ ihn Wallner schließlich von einer Funkstreife ins Hotel bringen. Nicht ohne ihn zu bitten, sich für die Polizei zur Verfügung zu halten.
*
Marisa Freiberger war 20 Jahre alt und einzige zukünftige Erbin der »Freiberger Baustoffhandel GmbH« in der Nähe von Horn. Sie war nach der Matura zwei Jahre im Ausland gewesen. In London und Barcelona, um die Sprachen zu lernen. Auf Wunsch ihres Vaters sollte sie ab diesem Herbst Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuni in Wien belegen.
Marisa, die ein ausgeprägtes Talent fürs Zeichnen und einen guten Geschmack hatte, hätte lieber Grafik Design an der »Angewandten« studiert, aber der liebe Papi war auf diesem Ohr taub. Noch, denn die junge Frau war fest entschlossen, nach zwei Semestern WU den berühmt-berüchtigten »Crash-Prüfungen« zum Opfer zu fallen, die bis zu 80 Prozent der Neuinskribenten eines Jahres wieder vor die Türen der völlig überfüllten Wirtschaftsuniversität setzten.
Egal, Papa, dem auch vier gut gehende Heimwerkermärkte gehörten, war gewillt, ihr ein angenehmes Leben in Wien zu finanzieren. Das wollte sie ausnützen, immerhin war einiges los in der Stadt, wie sie von einigen Bekannten wusste. Bis zum nächsten Herbst würde sie ihn dann schon so weit bekommen, dass er ihrem Wunschstudium zustimmte.
Sie war diese Woche nach Wien gekommen, um sich mit einer Freundin zu treffen, vor allem aber, um sich nach einer kleinen Wohnung möglichst nahe der Universität umzusehen.
Jetzt stand sie gerade vor dem Schwarzen Brett neben dem Büro der Hochschülerschaft und studierte die gar nicht so zahlreichen Angebote.
Für Marisa kam weder ein Studentenheim in Frage noch ein Platz in einer WG. Für ihre Eltern waren das lediglich Orte der Versuchung, all die Dinge nach zu holen, vor denen sie ihre Kleine bisher erfolgreich beschützt hatten. Marisa kicherte vor sich hin. Die Alten dachten doch tatsächlich, sie wäre noch Jungfrau oder hätte noch nie einen Joint probiert. Die Erwachsenen waren so was von kindlich im Gemüt, dass es beinahe schon kindisch wirkte. Als ob »Unschuld«, in welcher Hinsicht auch immer, Motto für ein Leben wäre, das der jungen Frau vorschwebte.
Und diese Heuchelei ihres Vaters. Ging jeden Sonntag zur Messe, um dann den naiven Häuslbauern eine Wasserwaage um 5,99 zu verkaufen, die er um 1,08 aus Taiwan importiert hatte. Diesen Beschiss konnte nicht einmal der jährliche Scheck für »Licht ins Dunkel« wieder gut machen.
Halt, das klang interessant: Sehr hübsche Studentenappartements, (1 und 2 Zimmer) zu vermieten, absolute WU-Nähe. Nähere Informationen Hausverwaltung »Melham« Tel 312 80 72, 0638/334 14 11 www.melham.at Marisa notierte sorgfältig die beiden Rufnummern. Dann prüfte sie die weiteren Angebote, fand aber nichts mehr, was ihr auch nur annähernd zugesagt hätte.
»Was du heute kannst besorgen …« dachte sie und rief die Hausverwaltung an, um einen Termin für den Nachmittag zu vereinbaren.
*
Als sich Palinski der Seniorenresidenz »Am Hugo Wolf Park« näherte, in der Tante Nettie wohnte, war die Präsenz der Polizei in der gegenüberliegenden Grünanlage unübersehbar. Ein Teil des Parks war abgesperrt und der Fundort eines einsamen Damenbeines großräumig gesichert worden,
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