Wüstenfeuer
auch kein Grund für einen weiteren Arrest vorlag.
Rod Zeibig tauchte in der Tür auf und lockerte die angespannte Atmosphäre ein wenig auf.
»Haben Sie eine Minute Zeit?«, fragte er.
»Klar«, erwiderte Gunn. »Wir tun ja im Augenblick nichts anderes, als uns die Haare einzeln auszureißen.«
Zeibig kam mit einem Schnellhefter in der Hand herein und ging zum Kartentisch.
»Vielleicht muntert Sie das ein wenig auf. Ich habe einige Informationen über Ihren Steinmonolithen.«
»Offensichtlich gehört er mir gar nicht mehr«, meinte Gunn ein wenig verbittert.
»Konnten Sie sich die lateinische Inschrift merken?«, fragte Pitt und rutschte ein Stück zur Seite, damit Gunn und Zeibig genug Platz hatten, um sich hinzusetzen.
»Ja. Ich habe sie aufgeschrieben, sobald wir aufs Schiff zurückgekehrt waren, hatte mich aber wegen der ganzen Aufregung seitdem gar nicht mehr damit beschäftigt.
Erst heute Morgen habe ich sie mir wieder vorgenommen – und auch übersetzt.«
»Und jetzt sagen Sie mir bloß, dass es der Grabstein Alexanders des Großen ist«, bat Gunn hoffnungsvoll.
»Das wäre in doppelter Hinsicht falsch, fürchte ich.
Zum einen ist der Stein kein Grabstein, sondern ein Gedenkstein. Und dann wird nirgendwo Alexander genannt.«
Er schlug den Schnellhefter auf und holte ein Blatt mit einem handschriftlichen lateinischen Text heraus, den er nach der Untersuchung des Monolithen notiert hatte.
Auf der nächsten Seite fand sich die maschinengeschriebene Übersetzung, die er Gunn reichte. Zuerst überflog er sie stumm, dann las er laut vor:
»Im Andenken an Centurio Plautius, Scholae Palatinae und treuer Wächter Helenas. Gefallen im Kampf auf See an diesem Ort. Glaube. Ehre. Treue. – Cornicularius Traianus«
»Centurio Plautius«, wiederholte Gunn. »Ein Gedenkstein für einen römischen Soldaten?«
»Ja«, erwiderte Zeibig, »was man als Bestätigung dafür ansehen kann, dass Als Krone römischer Herkunft und ein Geschenk des Kaisers Konstantin ist.«
»Ein
Scholae Palatinae
, der Helena treu ergeben war«, sagte Pitt. »Die
Scholae Palatinae
war eine Elitetruppe der späteren römischen Kaiser, vergleichbar mit der Prätorianergarde. Mit Helena müsste Helena Augustus gemeint sein.«
»Das ist richtig«, stimmte Zeibig zu. »Die Mutter von Konstantin dem Ersten, der Anfang des vierten Jahrhunderts regierte. Helena lebte von 248 bis 330, also stammen der Stein und die Krone wahrscheinlich aus dieser Zeit.«
»Irgendeine Idee, wer dieser Traianus ist?«, fragte Gunn.
»Ein
Cornicularius
ist ein militärischer Beamter, normalerweise in einer Stellvertreterposition. Ich habe in den römischen Datenbanken nach einem Traianus gesucht, aber nichts gefunden.«
»Damit bleibt das große Geheimnis weiter ungelöst: Woher stammen die Krone und der Monolith, und warum befand sich beides in einem osmanischen Schiffswrack?«
Er sah an Zeibig vorbei und wurde beim Anblick von zwei Männern in blauen Uniformen, die über den Kai auf das Schiff zukamen, sichtlich munter.
»Sieh mal an, die örtliche Polizei gibt sich die Ehre«, sagte er. »Hoffentlich bringen sie uns unsere Entlassungspapiere.«
Kapitän Kenfield erwartete die Beamten an der Gangway und geleitete sie an Bord, wo Pitt und Gunn in der Offiziersmesse mit ihnen zusammentrafen.
»Ich habe hier Ihre Freigabeverfügung«, sagte der ältere Beamte in fließendem Englisch. Er hatte ein rundes Gesicht, Hängeohren und einen buschigen schwarzen Schnurrbart.
»Ihre Regierung war sehr überzeugend«, fügte er mit der Andeutung eines Lächelns hinzu. »Sie können sich wieder frei bewegen.«
»Was haben die Untersuchungen im Zusammenhang mit meinen ermordeten Mannschaftsmitgliedern bisher ergeben?«, wollte Kenfield wissen.
»Wir haben den Fall als möglichen Mord wiederaufgenommen. Zurzeit gibt es jedoch keine Verdächtigen.«
»Was ist mit dieser Motorjacht, der
Sultanat
«, fragte Pitt.
»Ja, wir haben doch gesehen, wie dieses Boot Dirk beinahe zu Hackfleisch verarbeitet hat«, hakte Gunn nach.
»Wir konnten den Eigner des Schiffes ermitteln, und der teilte uns mit, dass Sie sich irren müssen«, erwiderte der Beamte. »Die
Suitana
befindet sich auf einer Charterfahrt vor der libanesischen Küste. Wir erhielten heute per E-Mail Fotos von dem Schiff im Hafen von Beirut.«
»Die
Suitana
wurde schwer beschädigt«, sagte Pitt.
»Sie kann unmöglich aus eigener Kraft bis in den Libanon gelangt sein.«
Der Assistent des Beamten öffnete
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