Wüstenfeuer
weißen Lieferwagen, der am Straßenrand parkte. Augenblicklich sprang der Motor des Fahrzeugs an.
Die Scheinwerfer waren ausgeschaltet, was bei Pitt sofort für ein unbehagliches Gefühl sorgte. Nichts Gutes ahnend folgte er Avni.
»Ich bin gleich wieder da«, murmelte er und sprintete los.
»Dirk!«, rief Loren, verwirrt von der unerwarteten Reaktion ihres Mannes. Aber er schenkte sich eine Antwort, als er bemerkte, dass der weiße Lieferwagen anrollte.
Pitt wusste genau, was gleich geschehen würde, hatte jedoch keine Möglichkeit, es noch zu verhindern. Als der Lieferwagen mit aufheulendem Motor startete, konnte er nur hilflos zusehen, als liefe vor ihm ein Film im Zeitlupentempo ab. Der Lieferwagen hielt auf den Museumswächter zu und beschleunigte. Pitt, der rannte, so schnell er konnte, stieß einen lauten Warnruf aus.
»Avni! Hinter Ihnen!«, brüllte er.
Aber es war vergeblich. Die Scheinwerfer noch immer ausgeschaltet, vollführte der Lieferwagen einen Satz vorwärts und rammte den Museumswächter von hinten.
Sein Körper flog hoch über die Motorhaube des Fahrzeugs, überschlug sich und knallte mit einem dumpfen Laut auf das Pflaster. Der Lieferwagen raste weiter, dann stoppte er mit kreischenden Reifen vor dem offenen Tor.
Pitt rannte in die gleiche Richtung und näherte sich schnell dem lang hingestreckten Wächter. An der grotesken Haltung seines Kopfs erkannte Pitt, dass das Genick des Mannes gebrochen und er auf der Stelle gestorben war. Da er nichts mehr für ihn tun konnte, fasste Pitt jetzt den Lieferwagen ins Auge.
Der Fahrer saß reglos hinterm Lenkrad und starrte nervös durch das Bab-üs Seläm-Portal. Da der Motor lief, konnte er Pitts Schritte nicht hören, bis dieser direkt neben dem Wagen auftauchte. Er schaute zum offenen Seitenfenster und sah ein Paar Hände auf sich zuschießen, die ihn am Kragen packten. Ehe er auch nur Anstalten machen konnte, sich zu wehren, wurden sein Kopf und sein Oberkörper durch das Seitenfenster gezerrt.
Pitt hörte weitere Schritte, nahm aus dem Augenwinkel jedoch nur einen Schatten wahr, während er noch mit dem Fahrer rang. Er hatte einen Arm um den Hals des Mannes geschlungen, so dass sich sein Kinn in der Armbeuge befand, und riss ihm fast den Kopf ab. Der Fahrer besann sich und versuchte, sich aus Pitts Umklammerung zu winden, rammte die Knie unter das Lenkrad und ruderte wie wild mit den Armen. Aber Pitt konnte den Druck auf den Hals des Mannes verstärken, bis er keuchend nach Luft schnappte und in seinem Arm schlaff wurde.
»Lassen Sie ihn los!«, schrillte plötzlich eine Frauenstimme.
Pitt wandte sich zu dem toten Museumswächter um, während er weiterhin den Hals des Lieferwagenfahrers in der Armbeuge behielt. Loren und Ruppe waren ihm gefolgt, um Avni zu helfen, und standen jetzt neben dem Toten. Ruppe war auf ein Knie gesunken und presste eine Hand auf eine heftig blutende Stirnwunde, während Loren neben ihm stand und Pitt mit Augen anstarrte, die vor Angst flackerten.
Neben ihnen war eine zierliche Frau in schwarzer Skimaske, schwarzem Pullover und schwarzer Hose aufgetaucht. Sie hatte den Arm ausgestreckt und zielte mit einer Pistole auf Lorens Kopf.
»Lassen Sie ihn los«, sagte sie noch einmal zu Pitt, »sonst stirbt die Frau.«
4
Der Topkapi-Palast war fast vierhundert Jahre lang die Residenz der osmanischen Sultane gewesen. Im Laufe seiner Geschichte zu einem ausgedehnten Labyrinth kunstvoll gekachelter Gebäude und Hallen ausgebaut und auf hügligem Gelände über dem Goldenen Horn gelegen, enthielt der Palast einen unermesslichen Schatz von Zeugnissen der bewegten Geschichte der Türkei. Die beliebten und sich reger Teilnahme erfreuenden Führungen boten einen Einblick in das Alltagsleben der zahlreichen Sultane und gewährten den Betrachtern Zugang zu einer eindrucksvollen Sammlung von Kunstwerken, Waffen und einmaligen Schmuckstücken. Doch neben all dem unschätzbaren Reichtum seiner wechselnden königlichen Bewohner beherbergte der Palast auch eine Sammlung heiliger islamischer Reliquien, die von den Gläubigen auf der ganzen Welt innig verehrt wurden. Und genau auf diese Objekte hatten die Diebe es abgesehen.
Mehrere Tage zuvor waren mit dem Lieferwagen eines Catering-Services Waffen und Plastiksprengstoff aufs Palastgelände geschmuggelt worden. Die Diebe hatten den Komplex am späten Nachmittag als Touristen getarnt betreten und sich in dem Geräteschuppen eines Hausmeisters versteckt. Nach Einbruch der Dunkelheit,
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