Wuestentochter
Ende haben? Werden wir je so lange so beieinander liegen können, wie wir wollen, ohne an irgendetwas anderes als an uns denken zu müssen?«
Sein Lächeln erwärmte ihr Herz. Es war nicht sein altes Diebeslächeln, sondern eines, in dem unendliche Zärtlichkeit lag. In diesem Moment wusste sie, dass er, was immer auch geschehen mochte, nie eine andere Frau so anlächeln und dass dieses Lächeln sie bis zum Tag ihres Todes begleiten würde.
»Inschallah«, entgegnete er. »Und ich habe noch nie so sehr gehofft, dass Allah mir meinen Wunsch erfüllt.«
Die Mädchen begannen sich gerade erst zu regen, als sie in den Schlafsaal zurückkehrte. Khalidah hoffte, sie würden denken, sie käme von einem Gang zum Abtritt zurück, aber niemand schien von ihr Notiz zu nehmen; alle beschäftigten sich nur mit ihren Reisevorbereitungen. Doch als Khalidah zu ihrem unberührten Bett trat, sah sie Abi Gul auf der Kante sitzen und sie mit scharfen Augen mustern.
»Ich wüsste doch zu gern, wo du die Nacht verbracht hast, Khalidah, denn hier warst du ganz sicher nicht.« Der vorwurfsvolle Ton war spielerisch gemeint, die Frage als solche jedoch ernst genug.
»Hast du die ganze Nacht auf mich gewartet?« Khalidah ließ ihre mit Grasflecken übersäten Kleider zu Boden fallen und streifte ein sauberes Gewand über.
»Allerdings«, erwiderte Abi Gul. »Ich habe kein Auge zugetan.« Dann kam ihr plötzlich ein Gedanke. »Du warst bei Sulayman!«
»Ja.« Khalidah band ihre Schärpe um.
»Du musst mir unbedingt erzählen, wie es war - vielleicht bekomme ich ja keine Gelegenheit mehr, es selbst herauszufinden.«
Nachdem Khalidah ihre Satteltasche überprüft hatte, entgegnete sie: »Herausfinden? Was denn?«
Abi Gul seufzte. »Wenn du ein Geheimnis daraus machen willst, solltest du dir besser das Gras aus den Haaren kämmen.«
Khalidah betastete hastig ihr Haar. Es war zerzaust und starrte tatsächlich vor getrockneten Grashalmen. Entsetzt griff sie nach einem Kamm und begann die Knoten zu entwirren. Abi Gul sah ihr eine Weile belustigt dabei zu, dann mahnte sie: »Nun?«
»Ich würde es dir sagen, wenn ich könnte, Abi Gul.« Khalidah brachte nicht den Mut auf, ihrer Freundin dabei in die Augen zu sehen. »Aber ich finde nicht die richtigen Worte dafür.«
Abi Gul lächelte wehmütig. »Das macht nichts. Ich lese es dir vom Gesicht ab; es strahlt wie der Abendstern am Nachthimmel.« Wieder seufzte sie. »Ach, ich wünschte mir, jemand würde mich auch so lieben.«
»Das wird eines Tages sicher auch jemand tun, Abi Gul. Wer könnte dich nicht lieben?«
Abi Guls Gesicht umwölkte sich, was sie rasch hinter einem Lächeln zu verbergen versuchte. »Es wird Zeit, Bibi Khalidah. Bist du bereit?«
Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, dachte Khalidah. Ich hoffe es zumindest.
Obwohl sich das ganze Dorf einfand, um sie zu verabschieden, war diesmal weder der Jubel noch das Schluchzen zu hören, das den Aufbruch des Kriegertrupps von Rakan begleitet hatte. Die gespenstische Stille, die Khalidah am Abend zuvor am Fluss gespürt hatte, schien sich noch verstärkt zu haben. Die Reiter schnallten ihre Satteltaschen fest und überprüften die Lasten der Packpferde, dann ritten sie auf die Hügel zu, hinter denen Rakans Trupp verschwunden war.
Khalidah ritt hinter den Führern an der Spitze, Abi Gul zu ihrer Linken und Sulayman auf einem großen Hengst namens Sre Zer zu ihrer Rechten. Während ihrer ersten Woche in Qaf war Asifa rossig geworden, und obwohl die empfängnisbereiten Stuten sorgfältig von den Hengsten getrennt wurden, hatte man sie und Sre Zer eines Tages friedlich Seite an Seite grasend außerhalb der Ställe vorgefunden. Obgleich es noch zu früh war, um festzustellen, ob sie trächtig war, hatte der Besitzer des Hengstes Sulayman versichert, Sre Zer habe bislang noch jede Stute gedeckt, mit der er zusammengekommen war, und darauf bestanden, dass er Asifa zurückließ und statt dessen den Hengst nahm.
Als sie die Obstgärten, die Häuser und schließlich das Übungsfeld hinter sich ließen, wurde Khalidah plötzlich bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, wie man aus dem Tal hinausgelangte, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, wie sie hergebracht worden war. Abi Gul lachte, als sie sie danach fragte.
»Hast du bislang noch nie darüber nachgedacht?«
»Dazu war ich dank deiner Mithilfe viel zu beschäftigt«, gab Khalidah zurück.
»Mohnsaft.« Abi Gul grinste.
»Was?«
»Kennst du die Wirkung von
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