Wuestentochter
Mohnsaft nicht?«
Khalidah und Sulayman wechselten einen Blick und brachen dann in Gelächter aus. Abi Gul, die nicht wusste, was sie so Komisches gesagt haben sollte, runzelte verwirrt die Stirn.
»Entschuldige«, prustete Khalidah. »Es ist nur so, dass ich ohne Mohnsaft und seine wunderbaren Eigenschaften gar nicht hier wäre. Sulayman hat ihn am Vorabend meiner Hochzeit dazu benutzt, meinen gesamten Stamm zu betäuben. Auf diese Weise gelang mir die Flucht.«
Abi Gul musterte sie mit hochgezogenen Brauen. »Nun, unsere Vorgehensweise ist weit weniger dramatisch. Wenn die Kundschafter uns melden, dass sich jemand Qaf nähert, lassen wir ihn Mohnsaft trinken, ehe wir ihn in das Tal bringen. Wir wollen verhindern, dass sich jemand den Weg merkt.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dass mich an jenem Abend irgendjemand aufgefordert hat, Mohnsaft zu trinken«, hielt Khalidah ihr entgegen.
Abi Gul schüttelte den Kopf. »Das war auch nicht nötig. Sie haben ihn dir in den Mund geträufelt, während du geschlafen hast. Aufgewacht bist du dann in Qaf.«
Khalidah fragte sich, wie viel von ihrem seltsamen Traum von der Schlacht und dem sterbenden Templer wohl der Droge zugeschrieben werden konnte, aber andererseits hatte sie denselben jungen Mann, den Sohn des Sultans, noch einmal in der Hütte des betaan gesehen. All dies warf zu viele Rätsel auf, und im Moment galt es, sich nur auf die vor ihnen liegende Reise zu konzentrieren.
Lange ritten sie schweigend weiter; Pfade entlang, die sich zwischen den Hügeln hindurchwanden und die Khalidah alleine nie gefunden hätte, und allmählich begann sie zu glauben, dass sie wirklich so schnell nach Syrien gelangen würden, wie die Dschinn es versprochen hatten. Nach einigen Stunden wurden die Hügel zu den Bergen mit den schneebedeckten Kuppen, die von Qaf aus so weit entfernt gewirkt hatten. Sie durchquerten ein Felsental, das sich rasch verengte, bis Khalidah beide Seiten zugleich hätte berühren können, wenn sie die Arme ausgestreckt hätte. Riesige Felswände ragten rechts und links von ihnen auf, schienen sich einander zuzuneigen, bis sie sich tatsächlich berührten und die kleine Armee durch eine dunkle Höhle ritt. Irgendwo vor ihnen schimmerte Licht auf, und Wasser rauschte in der Ferne. Das Rauschen wurde lauter, das Licht immer heller, bis Khalidah endlich den von einem tosenden Wasserfall verhangenen Ausgang des Felsengangs sah.
Die Pferde vor ihr schwenkten scharf nach rechts ab. Sie gab Zahirah den Kopf frei und ließ sie Tufan folgen. Der graue Hengst verschwand um eine Ecke, dann ertastete sich Zahirah hinter ihm den einen schmalen, steinigen Hang hinunterführenden Weg. Bald ließen sie den Wasserfall hinter sich und gelangten in ein weiteres, sehr viel breiteres Tal, von graubraunen Hügeln gesäumt, hinter denen die schroffen Berge aufragten. Der Untergrund war so fest und glatt wie eine Pferderennbahn. Erstaunt registrierte Khalidah, dass sie diesen Ort wiedererkannte.
»Wir waren schon einmal hier«, sagte sie zu Sulayman. »Vor uns liegt ein Fluss, an dem wir gelagert haben … aber das muss vier oder fünf Tage vor unserer Ankunft in Qaf gewesen sein.«
»Eine Woche«, berichtigte er.
»Wie ist das möglich?«
Sulayman schüttelte den Kopf. »Sie sind die Dschinn; sie wissen vieles, was uns verborgen bleibt.« Er überlegte kurz, dann fügte er hinzu: »Außerdem können wir, bevor wir hier gelagert haben, schon tagelang im Kreis geritten sein.«
Möglich war es, entschied Khalidah, aber insgeheim bezweifelte sie es.
Sie beschleunigten das Tempo, als sie das Tal durchquerten, und ließen die Pferde in einen leichten Galopp fallen, wenn der Untergrund es erlaubte. Zahirah hielt mühelos mit ihren größeren Artgenossen mit, schien sie sogar übertreffen zu wollen, was Khalidah mit Stolz erfüllte. Sie ritten den ganzen Tag lang, bis das letzte Licht erlosch, dann lagerten sie auf einer Wiese neben einem kleinen grünen Teich.
Die Dschinn waren nicht nur Meister darin, sich in diesen trügerischen Bergen zurechtzufinden, sondern sie schlugen auch ihr Lager schneller auf, als Khalidah es je erlebt hatte. Innerhalb weniger Minuten waren die Pferde abgesattelt, abgerieben und mit Korn gefüttert worden, kurz darauf brannten kleine Feuer, über denen Wasserkessel brodelten. Khalidah teilte sich ein Feuer mit Sulayman, Abi Gul und Hila. Ambrenn und ihr Verlobter waren auf Geheiß ihrer Eltern, die nicht an die Prophezeiung glaubten, in Qaf
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