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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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zurück. »Ich achte und respektiere Khalidah immer noch, aber ich sehe die Erfüllung meines Lebens jetzt anderswo.«
    Zu seiner Überraschung wirkte Abd al-Aziz eher erleichtert als gekränkt. Er lächelte Bilal an und verneigte sich leicht. »Ma’as salaama, Bilal. Möge Allah dir auf all deinen Wegen hold sein.« Bilal sah ihm nach, als er sein Zelt betrat, und grübelte über die Macht der Zeit und die Unbeständigkeit des menschlichen Herzens nach.
     Numair befand sich in der Hölle. Davon war er fest überzeugt, denn in keinem Reich der Sterblichen konnte ein Mensch solche Qualen leiden. Sie begannen als weißglühender Schmerz im oberen Teil seines Rückens und strahlten in Wellen bis in seine Beine aus. Doch als er endlich mühsam die Augen aufschlug, sah er sich nicht von Flammen und tanzenden Teufeln umringt, sondern er fand sich in demselben  verlassenen, sandigen Wadi wieder, in dem er die ganze letzte Woche gehaust hatte. Er wusste nicht, ob er Erleichterung oder Enttäuschung verspüren sollte. Für beides brachte er kaum die Kraft auf.
    Es kostete ihn den Rest des Tages, sich zum Fluss hinunterzuschleppen. Dabei stellte er fest, dass sein rechtes Bein gebrochen und sein linker Arm verletzt, aber noch zu gebrauchen war. Vor seinem linken Auge schien ein flammend roter Schleier zu liegen, und er wusste, dass er mindestens einen schweren Schlag gegen den Kopf davongetragen hatte. Doch all diese Verletzungen verblassten im Vergleich mit dem Pfeil in seinem Rücken, der bei jeder Bewegung einen sengenden Schmerz durch seinen Körper schickte. Er konnte schon nicht mehr zählen, wie oft er das Bewusstsein verloren hatte. Als er es endlich bis zum Wasser geschafft hatte, fand er nicht mehr die Kraft, die Hände zu heben, also ließ er sich in den Fluss gleiten und sich das Wasser direkt in den Mund laufen.
    Kurz darauf schlief er ein. Wie durch ein Wunder ertrank er dabei nicht, sondern erwachte einige Stunden später am ganzen Leibe zitternd. Der Himmel war dunkel geworden. Er zog sich aus dem Wasser und hielt nach seinem Zelt Ausschau, das am Morgen noch am Flussufer gestanden hatte. Jetzt allerdings fand er nur noch einen kleinen Haufen Asche vor. Als er darin herumwühlte, stieß er auf einen Rest von Glut und entfachte mit den Überresten der Zeltpfähle und etwas trockenem Gras ein kleines Feuer.
    Er blieb neben den Flammen liegen, bis das Zittern nachließ. Dann griff er mit seinem unverletzten Arm hinter sich, umschloss den Pfeilschaft und zog daran. Ihm war, als risse er sich die Seele aus dem Körper, doch endlich gelang es ihm, den Pfeil aus seinem Fleisch zu lösen. Er war vor Schmerz so benommen, dass er erst nach einigen Momenten begriff, was er da in der Hand hielt: tatsächlich einen mit schwarzen Straußenfederteilen besetzten hölzernen Stab. Doch dort, wo die Spitze hätte sein müssen, sah er nur  gesplittertes Holz. Die eiserne Spitze steckte immer noch in seinem Rücken.
    Numair war kein Arzt, doch als er den Pfeil betrachtete, konnte er sich nur zu gut ausmalen, was für einen Tod er erleiden würde, und das reichte aus, um sich zu wünschen, Bilal hätte den Prinzen nicht daran gehindert, seinen Kopf als Trophäe mitzunehmen.
     

15
    Khalidah erwachte, als sich im Osten die ersten wässrigen Lichtstrahlen zeigten. Kein Stern funkelte mehr am Himmel. Die Vögel schliefen noch; außer dem Wispern des Windes im Gras war kein Laut zu hören. Sie lag in ihren verrutschten Gewändern auf dem Rücken, eingehüllt in Sulaymans Arme, und genoss den tiefen Frieden erfüllten Begehrens. Sie beobachtete den sich verfärbenden Himmel und fragte sich, warum sie sich jemals mehr als das Glück dieses Augenblicks gewünscht hatte.
    »Weil Verlangen nie mit der Erfüllung endet«, flüsterte Sulayman, als sie ihm dieselbe Frage stellte. »Kein menschliches Wesen hört je damit auf, sich nach etwas zu sehnen.«
    Khalidah kicherte, weil sie bei diesen Worten seine Härte an ihrem Bein spürte. »Das merke ich gerade selbst.« Grinsend drehte sie sich zu ihm um und strich mit den Fingerspitzen über seinen Rücken. Es war jetzt hell genug, dass sie sehen konnte, wie er die Augen schloss und erschauerte. Ihr eigener Körper reagierte augenblicklich, doch er hielt ihre Hände fest und zog sie an seine Lippen.
    »Nein, habibti«, murmelte er. »Dafür haben wir keine Zeit mehr.«
    Khalidah seufzte. »Seit ich dich kenne, scheinen wir ein Pferd zu reiten, das dahinjagende Zeit heißt. Wird das je ein

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