Wuestentochter
die auswählen, die deine Tochter gestohlen hat - nein, drei, denn ich habe noch nie ein Pferd gesehen, das sich mit Zahirah messen könnte. Und dann mache ich mich auf den Weg nach Oultrejourdain … wenn das wirklich dein Wunsch ist.«
Doch auf seine angedeutete Frage erhielt er nie eine Antwort, denn plötzlich erklang Hufgetrommel. Ein Bote galoppierte auf das Zelt des Scheichs zu.
»Verzeih, dass ich dich störe, Sidi«, keuchte eine Männerstimme, die Bilal nach einem Moment als die von Abdullah erkannte, einem von Abd al-Aziz’ Gefolgsleuten. »Ich dachte, du würdest es sofort erfahren wollen - der Sultan hat den Franken den Krieg erklärt!«
Aus dem Nebenraum erklangen überraschte Ausrufe, dann durchschnitt die Stimme des Scheichs den Tumult wie eine Schwertklinge. »Bitte setz dich, und erzähle uns alles, was du weißt. Heda, Mädchen - bring dem Mann etwas zu Trinken.«
Wieder trat eine Pause ein, ein leises Schlurfen war zu hören, dann sprach der Bote weiter. Er war noch immer völlig außer Atem. »Ich habe es gerade von einem der offiziellen Boten gehört. Du weißt ja sicherlich, dass der Sultan König Guy ersucht hat, sich für die Freilassung der Karawane einzusetzen, die Arnat gefangen hält. Nun, als der König Arnat darum gebeten hat, weigerte sich dieser, die Gefangenen freizugeben. Und als diese ihn an den Waffenstillstand erinnerten und verlangten, sie aufgrund der ausgehandelten Bedingungen unverzüglich gehen zu lassen, lachte Arnat sie nur aus und sagte: ›Soll doch euer Mohammed kommen und euch retten.‹«<
Einen Moment herrschte Stille, während die Worte in das Bewusstsein der Männer einsickerten. Die Dienstmagd kehrte mit einem Becher Wasser für den Boten zurück, den dieser gierig leerte. Endlich fuhr er fort: »Es heißt, der Sultan hätte geschworen, die Ungläubigen eigenhändig zu töten, als er von Arnats Antwort erfuhr. Er zieht bereits in Damaskus seine Armee zusammen.«
»Also ist die Zeit gekommen«, entfuhr es Abd al-Aziz.
»In der Tat«, murmelte Abd al-Hadi.
»Werden wir uns der Armee anschließen, Sidi?«, fragte Abdullah mit unverhohlener Begeisterung.
Es entstand eine kurze Pause, dann antwortete der Scheich: »Lass die Männer dieses Stammes wissen, dass jeder, der in die Armee des Sultans eintreten möchte, dies tun kann.«
»Du kannst nicht für die Stämme sprechen!« Abd al-Hadi schnappte vernehmlich nach Luft.
»Unser Abkommen, akhah, besagt«, gab Abd al-Aziz kühl zurück, »dass die beiden Zweige der Hassani autonom bleiben, bis unsere Kinder heiraten. Aufgrund deiner Reaktion auf diesen Erlass kann ich es nur als glückliche Fügung ansehen, dass meine Tochter verschwunden ist.«
»Das ist eine Unverschämtheit …«,begann Abd al-Hadi, doch Numair schnitt ihm das Wort ab. Seine Stimme klang glatt und unberührt.
»Nein, abatah. Wir können später in aller Ruhe darüber reden. Es besteht kein Grund für uns, noch länger hierzubleiben.«
Als die Männer sich steif verabschiedeten, setzte sich Bilal mit dem Rücken gegen den Zeltpfosten gelehnt auf den Boden, um über das nachzudenken, was er soeben gehört hatte. Er hatte gerade begonnen, sich ein wenig zu entspannen, als die ghata des Stalles geöffnet wurde. Ein Lichtstrahl durchschnitt das Dunkel. Numair stand darin und bedeutete Bilal, zu ihm zu kommen. Der Junge gehorchte widerwillig,
»Ich nehme an, du hast die ganze Zeit gelauscht?«
Bilal nickte und wartete auf einen scharfen Tadel, doch stattdessen bedachte Numair ihn mit einem schwachen, veschlagenen Lächeln.
»Gut. Dann brauche ich nicht alles noch einmal zu wiederholen.« Er hielt inne, dann fragte er unverhofft: »Liebst du deine Mutter?«
Bilal war von dieser Frage so überrascht, dass er zunächst glaubte, er müsse sie sich eingebildet haben. Doch Numair sah ihn erwartungsvoll an, also sagte er endlich: »Natürlich tue ich das.«
»Höre ich da ein ›Aber‹ heraus?«
Bilal seufzte. »Es gibt nicht viel, worüber wir einer Meinung sind. Das war schon immer so.«
Numair nickte, als habe er mit dieser Antwort gerechnet. »Und was ist mit deinem Vater?«
»Ich habe meinen Vater nie gekannt.« Bilal vermied es, Numair in die Augen zu sehen. »Er starb vor meiner Geburt.«
»Was, wenn ich dir sage, dass er das nicht tat - dass deine Mutter dich all diese Jahre belogen hat, so wie Khalidahs Vater sie über den Tod ihrer Mutter belogen hat?« Bilal konnte ihn nur stumm anstarren. Numair lächelte. »Es ist wahr,
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