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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Bilal. Dein Vater lebt und befindet sich bei bester Gesundheit. Er ist nur einen Tagesritt von uns entfernt. Möchtest du ihn kennen lernen?«
    Bilal fand endlich die Sprache wieder. »Selbst wenn das wahr wäre …«, begann er.
    »Zweifelst du an meinen Worten?«
    »Nein, Sayyid, natürlich nicht … es ist nur alles so seltsam. Wer ist denn mein Vater? Und wieso befindet er sich ganz in meiner Nähe, und ich kenne ihn trotzdem nicht?«
    Numairs Brauen schossen überrascht in die Höhe. »Heißt das, dass deine Mutter dir sogar seinen Namen vorenthalten hat?«
    »Sag es mir, Sayyid«, bat Bilal.
    Numair musterte ihn lange. »Nein. Es ist viel zu gefährlich, hier von ihm zu sprechen. Nur so viel … er ist ein Mann von hohem Rang und könnte viel für dich tun. Wenn du in einer halben Stunde bereit sein kannst, bringe ich dich zu ihm. Pack das Notwendigste ein, und triff mich am Rand des Lagers. Ich werde ein Pferd für dich besorgen. Sag niemandem, was du vorhast.«
    Bilal schwankte unschlüssig. »Aber meine Mutter …«
    Mit einem Mal schlug Numairs ruhige Gelassenheit in eine fast bedrohlich wirkende Intensität um. Er trat noch näher auf Bilal zu und fasste ihn bei den Schultern. »Für gewöhnlich unterbreite ich ein Angebot nur einmal, aber weil du so jung bist und weil ich verstehe, dass diese Neuigkeit ein Schock für dich ist, sage ich es dir noch einmal klar und unmissverständlich. Ich breche in einer halben Stunde auf, um deinen Vater zu treffen. Du kannst mich begleiten und die Gelegenheit nutzen, vielleicht ein bedeutender Mann zu werden, oder du kannst bleiben und hier verrotten. Eine andere Wahl hast du nicht.«
    Tief in seinem Inneren wusste Bilal, dass dies nicht zutraf; dass sich einem Menschen immer mehrere Möglichkeiten boten und dass Numairs Angebot sicherlich einen Haken hatte. Aber in einem Punkt hatte Khalidahs Vetter Recht: In Wadi Tawil zu bleiben würde ihn zu einem Leben in Vergessenheit verdammen. Nach einem Moment nickte er, und Numair lächelte.
    »Gut. Du wirst es nicht bereuen.«
     

7
    Wie in der vorangegangenen Nacht ließen sie die Pferde galoppieren, solange der Boden eben und die Tiere bei Kräften waren. Khalidah stellte fest, dass sie diesen Ritt viel mehr genoss als den letzten; vielleicht, weil sie geschlafen oder sich in die Situation gefügt hatte. Vielleicht lag es ja auch an ihrem Traum - oder an allem zusammen. Als die Pferde ihr Tempo verlangsamten, zügelte sie Zahirah und lenkte sie an Asifas Seite. Die rote Stute schob den Kopf vor, um an der Nase der grauen zu schnuppern. Asifa schnaubte, legte aber die Ohren nicht an. Sulayman zog ein Päckchen Mandeln aus seiner Satteltasche, nahm sich eine Hand voll und reichte sie dann an Khalidah weiter. Sie sah ihn an, während sie kauten. Sein Gesicht wirkte im Mondlicht ruhig und gelassen, aber seine Augen zeugten von einem wachen, präzise arbeitenden Verstand.
    »Es wird Zeit, dass du mir sagst, wo wir hinwollen.«
    Er ritt eine Weile schweigend neben ihr her, ehe er sagte: »Nach Qaf.«
    »Nach Qaf?«, wiederholte sie verdutzt.
    »Du hast mich genau verstanden. Und ich hätte nicht gedacht, dass gerade du mich auf eine solche Weise anstarren würdest.«
    »Wie denn?«
    »Als wäre ich nicht bei Verstand. Ich habe die Geschichten über deine Mutter gehört, Khalidah: dass sie kämpfen konnte wie ein Mann und ein ungewöhnlich gutes Auge für Pferde hatte. Dass sie keine Schönheit war, aber trotzdem die Herzen der Männer brach wie die Königin von Saba. Dass das Glück deines Vaters begann, als er sie heiratete, und ihn verließ, als sie starb. Dass sie kein Kind der Stämme war, sondern sich als Dschinn bezeichnete.«
    Kleines Mädchen … Khalidah biss sich auf die Lippe, weil Tränen  in ihren Augen brannten. Im nächsten Moment schlug die Bitterkeit jedoch in Zorn um. »Wenn du diesen Gerüchten Glauben schenkst, dann solltest du dich vielleicht der Meinung aller anderen anschließen: dass sie ein Sukkubus mit Feueraugen und einer Stimme wie vergifteter Honig war, der ausgesandt wurde, um unser Volk zu zerstören. Dass sie meinen Vater verhext hat, damit er nicht wieder heiratet und einen Sohn zeugt. Dass sie ihm nur ein Hexenkind hinterlassen hat; einen Fluch für das Leben. Glaubst du, ich wüsste das alles nicht? Jedes eifersüchtige Sklavenmädchen und jeder abergläubische alte Mann hat hinter meinem Rücken darüber getuschelt, seit ich alt genug war, um zu begreifen, dass ich ihre Worte hören sollte.«

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