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Wuestentochter

Wuestentochter

Titel: Wuestentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Bryant
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Straßenmusikant und auch kein Kind mehr.« Er hob das Mundstück der Huka an die Lippen, sog daran und stieß eine beißende Rauchwolke aus. »Komm her, Junge«, befahl er mit leiser, heiserer Stimme. »Lass dich einmal genauer anschauen.«
    Viele Männer waren verstummt, als Khalidah zu singen begonnen hatte, verfolgten die Szene jetzt aber mit unverhohlenem Interesse. Khalidah beschlich das unbehagliche Gefühl, dass sie alle etwas wussten, was sie selbst nicht wusste. Ghassan wirkte leicht beunruhigt, aber ihr blieb keine andere Wahl, als die oud zur Seite zu legen und zu dem massigen Stammesführer der Mubarak hinüberzugehen. Sie kniete vor ihm nieder, den Blick auf den Boden gerichtet, doch er streckte eine Hand aus, hob ihr Kinn an und zwang sie, ihn anzusehen.
    »So ungewöhnliche Augen«, murmelte er nachdenklich. »Und so eine weiche Haut … fast wie die eines Mädchens.« Ihr Herz machte vor Schreck einen Satz. Er weiß Bescheid, dachte sie voller Panik. Ihr Verdacht schien sich zu bestätigen, als sie Begierde in seinen Augen aufflackern sah. »Sag mir … was ist denn das Ziel deiner Reise?«
    »Yazd«, flüsterte sie. Ihr war kaum bewusst, was sie sagte, und instinktiv griff sie auf ihre alte Geschichte zurück. »Ich werde zu einem Derwisch ausgebildet.«
    »Ein heiliger Mann also«, brummte Radwan. »Wirklich zu schade.«
    Sie sah, dass das Glitzern in seinen Augen einem Ausdruck von Enttäuschung gewichen war. Schlagartig begriff sie alles und fühlte sich sowohl erleichtert als auch abgestoßen. Zu ihrem Ärger bemerkte sie aus den Augenwinkeln heraus, wie einige Männer in die Ärmel ihrer Gewänder kicherten.
    »Und wie lange wirst du bei Ghassan bleiben?«, fuhr er fort.
    »Ich weiß es noch nicht«, stammelte sie. »Mein … mein Vetter hat das Viertagefieber, und wir können erst weiterreisen, wenn er wieder gesund ist.«
    Radwan betrachtete sie einen Moment lang, dann seufzte er. »Nun gut«, meinte er resigniert. »Zumindest hast du eine schöne Stimme. Du wirst jeden Abend für mich spielen, solange du dich in meinem Dorf aufhältst.«
    »Wie du wünschst, Sayyid«, nickte Khalidah.
    »Ich nehme doch an, dass du nicht allen Freuden des Fleisches abgeschworen hast?«, fragte Radwan dann. Khalidah runzelte verwirrt die Stirn, bis sie sah, dass er ihr das Mundstück der Huka hinhielt. Sie schielte zu Ghassan hinüber, der nur die Achseln zuckte. Widerstrebend nahm sie die Pfeife entgegen. Radwan beobachtete, wie sie daran sog und den Rauch hustend wieder ausstieß. Offensichtlich stellte ihn ihre Reaktion zufrieden. Er bedachte sie mit einem Grinsen, das schwarze Zahnstümpfe entblößte, und mit einem Schlag auf die Schulter, ehe er krächzte: »Und jetzt, Junge, geh zu deiner oud zurück und spiel weiter.«
     Als Ghassan und Khalidah endlich zu Ghassans Kanu zurückstolperten, hatte der Regen etwas nachgelassen. Nach der unbewussten Abfuhr, die sie ihm erteilt hatte, hatte sich Radwan sichtlich für Khalidah erwärmt, Lied um Lied gefordert und ihr scharfen Kornschnaps  und banj aufgenötigt. Den Schnaps schüttete sie in die Binsenmatten, wenn niemand hinsah, aber die Luft im mudhif war so mit banj-Rauch geschwängert, dass sie auch dann die Wirkung gespürt hätte, wenn sie die ihr angebotene Pfeife abgelehnt hätte.
    Khalidahs einzige frühere Erfahrung mit banj bestand in einem Nachmittag vor fünf Jahren, den sie mit Bilal und einem Klumpen Cannabisharz, der einem der Männer ihres Vaters aus der Tasche gefallen und von Bilal heimlich aufgehoben worden war, verbracht hatte.
    »Bist du sicher, dass das Haschisch ist?«, hatte sie ihn gefragt und dabei zweifelnd den Klumpen betrachtet, den er ihr auf der Handfläche hinhielt und der eher den unverdauten Überresten eines kleinen Nagetiers ähnelte, die die Jagdfalken gelegentlich auswürgten.
    »Natürlich bin ich sicher!« Bilal hatte ihr einen vernichtenden Blick zugeworfen, der ihr verraten hatte, dass er genauso unsicher war wie sie selbst, aber fest entschlossen, das nicht zuzugeben. »Es scheint nur leider nicht besonders viel zu sein …«
    Wie sich herausstellte, hätte die Menge ausgereicht, um ein Pferd zu betäuben. Sie rauchten mit eiserner Entschlossenheit; ihre Ehre hing davon ab, den gesamten Klumpen um jeden Preis in ein Häufchen Asche zu verwandeln. Die Folge davon war ein kurzer Anflug von Euphorie, gefolgt von grässlichen Wahnvorstellungen, und am Ende waren sie verängstigt zu Zeyneb gelaufen und hatten ihr unter

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