Wuestentochter
habe, und deswegen musstest du meinen Kadaver durch halb Jassirah schleifen …«
»Und das würde ich noch einmal tun, wenn ich dich dadurch retten könnte«, erwiderte sie ruhig.
Er lächelte schwach. »Tapfere Worte, Sayyida. Wir wollen hoffen, dass du sie nie in die Tat umsetzen musst.« Dann erstarb sein Lächeln, und er schüttelte den Kopf. »Viertagefieber - also wirklich! Ich hätte es besser wissen müssen. Das Erste, was ich bei der Truppe gelernt habe, war, nie an feuchten Orten mit schlechter Luft zu lagern.«
»Ich kannte einmal einen Kräuterkundigen, einen Berber, der eine Zeit lang mit unserem Stamm gereist ist«, erwiderte Khalidah. »Er hat behauptet, das Viertagefieber würde nicht von schlechter Luft ausgelöst, sondern von Moskitos übertragen.«
»Dann muss er ein Scharlatan gewesen sein.«
Khalidah lächelte. »Der Meinung war mein Vater auch, deshalb schickte er ihn fort. Trotzdem sind wir in den letzten Tagen von Mücken fast aufgefressen worden …«
Sulayman schüttelte den Kopf. »Dass ich krank geworden bin, war Allahs Wille … hoffentlich lässt Er mich auch rasch wieder gesund werden.« Eine Weile lauschten sie dem Rascheln des Schilfes im Wind, dann fragte er: »Was hältst du von Ghassan?«
»Er ist ein ziemlich schwieriger Mensch.«
Sulayman lachte leise. »Das kann man wohl sagen, aber welcher Mensch ist denn nicht schwierig?« Du, meistens jedenfalls, dachte Khalidah, behielt es aber für sich. »Hat er dir gesagt, wann wir weiterreiten können?«
Khalidah seuzfte. »Ghassan redet nicht viel mit mir. Ich fürchte, er mag mich nicht sonderlich.«
»Ghassan kann nur Dummköpfe nicht ertragen. Wenn er dich nicht mögen würde, wärst du nicht hier.«
Den Blick auf den Streifen silbrigen Wassers gerichtet, der hinter dem Türspalt schimmerte, meinte Khalidah nachdenklich: »Ich glaube, dir zuliebe würde er eine ganze Schar Dummköpfe erdulden.«
Sulayman grübelte einen Moment lang darüber nach. Seine Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen. »Hat er dir erzählt, wie wir uns kennen gelernt haben?«, fragte er endlich.
Das Bild einer sich in den Wehen windenden Frau flammte vor Khalidah auf. Sie verdrängte es hastig, doch Sulayman war ihr veränderter Gesichtsausdruck nicht entgangen, und er deutete ihn richtig. »Was noch?« Seine Stimme klang plötzlich gepresst und angespannt. »Was hat er dir sonst noch erzählt?«
»Das, was du ohnehin schon weißt«, gab sie bedächtig zurück. »Und einiges, was du noch nicht weißt. Aber danach solltest du ihn besser selbst fragen, Sulayman.«
Er sah sie an wie ein waidwundes Tier. Als er endlich langsam nickte, konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er damit weniger Zustimmung bekunden als vielmehr etwas bestätigen wollte, was ihm bereits bekannt war.
Die Abenddämmerung brach langsam über dem Wasserdorf herein. Die Mütter riefen ihre Kinder nach Hause, Wasserbüffel stapften schwerfällig zu ihren Ställen zurück, Männer vertäuten mit Fischen oder frisch geschnittenem Viehfutter beladene Kanus, und der Rauch von fünfzig Kochfeuern kräuselte sich zum Himmel empor. Sulayman und Khalidah saßen mit Ghassan vor dessen Hütte an einem eigenen kleinen Feuer. Ghassan buk Fladenbrot, röstete Fische und setzte ihnen diese Mahlzeit dann vor.
»Kranke zu pflegen regt den Appetit an«, meinte er, als er sich über seine eigene Portion hermachte.
Sulayman griff nach einem Stück Brot, doch Khalidah bedachte Ghassan nur mit einem langen, herausfordernden Blick. Dieser winkte mit einer Hand ab. »Ja, ich weiß, dass ich es ihm sagen sollte. Aber alles zu seiner Zeit, Khalidah.«
»Ich mag es nicht, wenn ein Geheimnis zwischen uns steht«, gab sie unwirsch zurück.
»Und wenn das so bleibt, könnt ihr euch glücklicher schätzen als die meisten anderen Paare«, erwiderte Ghassan trocken.
Sulayman und Khalidah sahen sich an und senkten dann beide verlegen den Blick. »Du stellst zu viele Mutmaßungen an«, sagte Khalidah leise.
»Oh, das glaube ich nicht.« Ghassans Stimme klang mit einem Mal seltsam schroff und zugleich voller Sehnsucht. Er kaute einen Moment lang nachdenklich an seinem Bissen Brot, dann seufzte er resigniert. »Na schön, du gibst ja doch keine Ruhe …«
Er begann, Sulayman die Geschichte zu erzählen, die Khalidah am Abend zuvor zu hören bekommen hatte. Nachdem er geendet hatte, legte sich Schweigen über die kleine Gruppe, bis Sulayman nicht gerade verbittert, aber
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