Wuestentochter
die darauf folgende Pause verriet Bilal, dass er einem regelrechten Verhör unterzogen wurde. »Sondern von denen von Abd al-Aziz. Du möchtest sie zweifellos gern sehen. Ich lasse sie sofort zu deinem Zelt bringen.«
All diese Worte enthielten Fragen, wenn nicht gar verdeckte Anschuldigungen, und Bilal wusste, dass er den Boden unter den Füßen verlor. Ohne zu überlegen platzte er heraus: »Nein!«
Der Sultan musterte ihn eher interessiert als erbost, aber Imad ad-Dins Blick schien ihn zu durchbohren, und selbst Salim runzelte die Stirn. »Nein?«, wiederholte der Sultan mit mildem Erstaunen.
Bilal versuchte, seine wirren Gedanken zu ordnen. Er und Numair hatten nie besprochen, wie sie sich Abd al-Aziz’ Gefolgsleuten gegenüber verhalten sollten, falls diese sie aufspürten. Zwar war es verzeihlich, dass Bilal davongelaufen war, um mit der Armee zu kämpfen, aber dass er dies mit Numair zusammen getan hatte, würde ihm als Verrat ausgelegt werden. Selbst wenn man ihn dafür nicht zur Rechenschaft ziehen würde, würde seine Tarnung auffliegen. Es war eine grobe Nachlässigkeit von ihnen gewesen … es sei denn, es lag gar keine Nachlässigkeit vor. Vielleicht, flüsterte ihm eine kleine böse Stimme zu, hatte das von Anfang an zu de Rideforts Plan gehört. Es war ein einfacher Weg, ihn und Numair loszuwerden.
»Die beiden Zweige der Hassani liegen schon lange im Krieg miteinander«, erklärte er endlich, als er merkte, dass er zu lange geschwiegen hatte. »Obwohl wir alle gehofft hatten, das Problem lösen zu können, war die Lage alles andere als erfreulich, als wir aufgebrochen sind. Numair sollte unsere Base heiraten und den Stamm so wieder vereinen. Aber sie verließ ihn in der Nacht vor der Hochzeit; sie brannte mit Abd al-Hadis Spielmann durch.« Er wusste, dass er sich glaubhaft rechtfertigte, trotzdem wünschte er, Salim wäre nicht hier und würde sein Lügengespinst mit anhören. Nachdem er tief Atem geholt hatte, fuhr er fort: »Daher kann man die Beziehung zwischen unserem Volk und ihrem im Moment nicht gerade als freundschaftlich bezeichnen.«
»Dennoch seid ihr hier in diesem Lager alle meine Männer. Eine Einheit.« Der Sultan verlor seine ruhige Gelassenheit nicht. »Zählt das denn gar nichts?«
»Hoheit, ich kann nur für mich selbst sprechen …«
»Er hat Recht«, meldete sich Imad ad-Din erstmals zu Wort. »Er hat Recht, und du weißt es …« Seine Stimme klang tief und volltönend. Bilal wartete darauf, dass er weitersprach, doch er verfiel wieder in Schweigen.
»Nun gut«, sagte Saladin zu Bilal, sah dabei aber den Schreiber an. »Aber verrate mir doch, wie der Name deiner aufsässigen Base lautet.«
»Khalidah bint Abd al-Aziz.«
»Und wer ist ihre Mutter?«
»Sie ist tot«, erwiderte Bilal. »Man nannte sie Brekhna.«
Die Augen des Sultans wurden schmal. »Von welchem Stamm?«
»Sie war keine Angehörige der Beduinenstämme«, gab er widerwillig zurück, denn es widerstrebte ihm, sich vor diesen bedeutenden Männern lächerlich zu machen, indem er die sich um Brekhna rankenden Gerüchte weitergab. »Sie kam aus dem Osten - aus Khorasan, glaube ich.«
Die Antwort schien dem Sultan zu genügen. Er sog zischend den Atem ein und stieß ihn dann vernehmlich wieder aus; der einzige Hinweis darauf, welchen Wert er diesen Informationen beimaß. »Was tut eine Frau aus Khorasan in Arabien?«, sagte er mehr zu sich selbst. Dann schwieg er eine Weile, und sein Blick verlor sich in der Ferne. Endlich schüttelte er leicht den Kopf. »Eine Frage noch, Sayyid Bilal. Kennst du zufällig den Namen des Spielmanns, mit dem deine Base fortgelaufen ist?«
»Seinen Familiennamen weiß ich nicht«, bekannte Bilal. »Aber er nannte sich Sulayman.«
»Und was für ein Instrument spielte er?«
»Die quanun.«
Der Sultan und der Gelehrte wechselten einen Blick, den Bilal nicht zu deuten vermochte. Dann lächelte Saladin seinen jungen Gast an. »Ich danke dir, Bilal ibn Bakhir al-Hassani. Das war ein ausgesprochen interessantes Gespräch. Und keine Sorge, es wird zu keiner Begegnung zwischen dir und deinen verfeindeten Stammesgenossen kommen.« Er hielt inne, dann fuhr er fort: »Aber vergiss nicht, dass wir eine vereinte Armee im Dienste Allahs sind. Auch wenn ich deine Wünsche respektiere, kann ich nicht für Ihn sprechen.«
Die Warnung in seinen Worten war nicht misszuverstehen. Bilal war froh, dass die Höflichkeit es ihm gebot, sich so tief zu verneigen, dass weder der Sultan noch sein
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