Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
him and his family when he lost his son. Normally parents expect their children to bury them, not the other way around. When I was Secretary-General, my wife and I used to say that when one operates in the public arena one must never forget that one lives in two worlds and this was also true for Dolfi. There is the larger public world of a Federal Councilor, or a Secretary-General and the smaller world of family and friends. And these two worlds have to be in equilibrium. If one is destabilised, the other is affected, and they are both equally important. Sometimes one has the tendency to ignore the smaller world, which is a mistake. I think Dolfi found the right balance in both his worlds.
On the occasion of Dolfi’s 70th birthday, I would like to congratulate him for his many achievements, wish him good health, many joyful times with his family, friends, and many happy moments embracing the wonders of nature. I am looking forward to our next walk in the mountains.
Kofi A. Annan
Prolog
2010 Die Natur ist gross, der Ogi ist klein. Dölf Ogi wandert oberhalb Kandersteg.
Auf der Grossen Schanze in Bern . 4 284 Tage sind es her. 4 284 Tage seit dem Ausscheiden aus dem anspruchsvollen Amt. Man schreibt den 23. September 2011. Es ist 17. 00 Uhr. Das kräftige Hoch «Renée» über Deutschland sorgt für einen warmen Spätsommerabend in der Schweiz. Später wird Meteoschweiz in ihrem monatlichen Klimabulletin festhalten, dass der September 2011 erneut einer der wärmsten in den Datenreihen des Schweizer Wetterdienstes war.
Geografen-Wetter. Der Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Geographischen Instituts der Universität Bern steht an. Vor bald 11 Jahren hat er auf Schloss Oron allen höheren Stabsoffizieren und seinen Amtsdirektoren die Hand zum Abschied gereicht. Jetzt sitzt er in der ersten Reihe der Aula der Universität Bern, als wäre er immer noch im Amt, als gäbe es die 4 284 Tage gar nicht, die seit seinem Rücktritt verstrichen sind. Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit passender, veilchenblauer Krawatte.
Er ist der Festredner beim Jubiläumsanlass des Instituts von Weltruf.
Professor Dr. Rolf Weingartner führt ihn ein. Der Direktor des jubilierenden Geographischen Instituts hält wohl zu Recht fest: Eigentlich brauche er ihn ja gar nicht vorzustellen. Weingartner behauptet: «Ich gehe davon aus, und da bin ich mir hundertprozentig sicher, dass das stimmt. Alle in diesem Saal kennen ihn.»
Als er ans Rednerpult tritt, ist ihm ähnlich zumute wie am Dies academicus der Universität Bern im Jahre 2005. Er fühlt sich, als sei er der einzige Nichtakademiker im Saal. Von der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät der Uni Bern ist ihm am 3. Dezember 2005 die Würde eines «Doctor philosophiae honoris causa» verliehen worden. Die Ehrendoktorwürde.
Der Ehrendoktor gebühre dem Mann, heisst es in der lateinischen Laudatio, «qui vir peritus regendae civitatis charismaticus in singulis helvetiae partibus tota in helvetia toto in orbe terrarum quae societati profutura esse perspexerat perpetranda curavit.»
Übersetzung des Lateiners: «Dieser Mann war erfahren im Lenken eines Staates, charismatisch bewegte er sich in den einzelnen Teilen der Schweiz, in der ganzen Schweiz sowie auf der ganzen Welt. Wenn er durchschaut hatte, dass etwas für die Gesellschaft nützlich sein wird, so sorgte er für dessen Durchsetzung.»
1953 Trotz dieses guten Zeugnisses besteht er die
Aufnahmeprüfung in die Sekundarschule nicht.
Heute, fast sechs Jahre später, in der neobarocken Aula der Uni Bern, blickt er vom Rednerpult aus in die 22 Meter lange, 12,20 Meter breite und 8,30 Meter hohe Ruhmeshalle der Wissenschaft. Sie ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Sein Blick schweift zu den «32 paarweise angeordneten und reich verzierten Halbsäulen aus Stuck», wie die Festschrift «100 Jahre Hauptgebäude Universität Bern» vom Oktober 2003 festhält. Dem Verfasser der Festschrift haben es vor allem die Kapitelle, die oberen Abschlüsse der Säulen, angetan: «Und diesmal sind es die korinthischen Kapitelle, die dem feierlichen Ambiente besonders angemessen sind.»
Der Primarschüler aus Kandersteg. Wie wird er den Auftritt vor all diesen Akademikern überzeugend meistern? Er, der nach der 4. Klasse die Aufnahmeprüfung für die Sekundarschule im benachbarten Frutigen nicht bestanden hat. Obwohl im Zeugnis praktisch nur Sechser stehen.
Der Stachel sitzt heute noch tief. Am 23. November 1987, gut zwei
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