Wüthrich, G: Dölf Ogi: So wa(h)r es!
gestohlene, persönliche Exemplar hat er wohlbehalten wieder zurückbekommen.
Nach drei Stunden kommt Ogi im Olympischen Dorf an und wird kurz danach ans Telefon gerufen: Bundesrat Kurt Furgler wolle ihm gratulieren. Ogi meint natürlich wegen Gold und Silber für die Schweiz. Doch der Magistrat in Bern gratuliert ihm zuerst einmal für die erfolgreiche Absolvierung des Dreiviertel-Marathons im Tiroler Schnee …
Ogi sei nie abgehoben gewesen, auch ihnen gegenüber nicht, erzählt Bernhard Russi: «Dölf hat ein grosses Herz und uns alle gleich behandelt. Der Bauer im Emmental ist für ihn genauso wichtig wie der Kaiser von Japan.»
Das sieht, überraschenderweise, eine andere Athletin etwas anders, nämlich keine Geringere als die Doppel-Olympiasiegerin von Sapporo, Marie-Theres Nadig. Sie sagt kurzum: «Wir haben das Heu nicht auf der gleichen Bühne gehabt.» Hoppla, was ist da geschehen? Die Damenmannschaft sei nie seine Vorliebe gewesen. Zu ihnen sei er immer erst gekommen, nachdem er zuerst zwei, drei Stunden bei den Herren verbracht hatte – und dann stets mit derselben Floskel auf den Lippen: «Habe nicht viel Zeit, aber wenn ihr Fragen habt, gebe ich gerne Auskunft. Ansonsten wünsche ich euch ein gutes Training!»
1981 Die Schweiz gewinnt erstmals den Mannschafts-Weltcup. Der SSV-Direktor mit Marie-Theres Nadig (l.) und Erika Hess am Ende einer erfolgreichen Saison in Laax.
Im Sennenkutteli gratuliert Ogi in St. Anton dem Hochzeitspaar Evelyn und Karl Schranz. 1981
Trotzdem, ein guter Verkäufer sei er gewesen, auf gut schweizerische Art, nicht zu aufdringlich, mit Berner Charme, und nachweisbare Fehler habe er auch nicht begangen, sagt die St. Galler Oberländerin und wünscht ihm für die Zukunft trotzdem «alles Gute, Gesundheit, damit er noch alles machen kann, was er gerne möchte.» Sie fügt noch hinzu: «Von ganzem Herzen.» Hohe Anerkennung wiederum zollen ihm einhellig die nachfolgenden, ebenso erfolgreichen Athleten-Generationen. Sie profitieren noch Jahrzehnte später vom professionellen Fundament, das der frühere Skiverbandsdirektor gelegt hat. Vreni Schneider, mit drei Olympia-Goldmedaillen, drei WM-Titeln, drei Gesamtweltcupsiegen und 34 Weltcup-Slalomsiegen eine der erfolgreichsten Skifahrerinnen aller Zeiten, begegnet Adolf Ogi erstmals während der Ski-WM in Crans Montana 1987, kurz vor seiner Wahl zum Bundesrat. Sie gewinnt dort im Wallis ihren ersten WMTitel: Gold im Riesenslalom.
Ein sehr einfacher, ehrlicher und freundlicher Mann sei damals auf sie zugekommen, sagt Vreni Schneider heute: «Ich war sofort beeindruckt davon, dass ein so einflussreicher Mensch so einfach bleiben kann.» 1994 nimmt Bundesrat Adolf Ogi an ihrem Olympia-Fest in Elm teil. Zuvor, in Lillehammer, wo die Schweizerin Gold im Slalom, Silber in der Kombination und Bronze im Riesenslalom gewann, konnte Dölf ihr leider, wie wir wissen, nicht gratulieren. Wegen Ruth Dreifuss und der Alpen-Initiative …
Doch im Glarnerland holt er die Gratulation nach und wagt sogar, übermüdet von der Heimreise aus Amerika, ein Tänzchen mit der Olympiasiegerin. In Vreni Schneiders Buch «Talent» ist das seltene Ereignis im Bild festgehalten. Dölf hat selbstverständlich das Vorwort geschrieben. Und Vreni Schneider hat noch einen Wunsch frei: Einen lockeren, wunderschönen Carving-Tag im Schnee mit Dölf.
Die Skistars vergessen ihn nie: Ein 12-jähriger, hoch talentierter Skifahrer erhält 1975 aus der Hand von Skiverbandsdirektor Adolf Ogi beim Ovo-Grand-Prix-Finale in Kandersteg die Goldmedaille. Seit seinem siebten Lebensjahr bestreitet der Knabe aus dem Saaser Tal Skirennen. Es ist Pirmin Zurbriggen. Später geht der Ausnahmekönner als einer der wenigen in die Annalen ein, die in allen fünf Weltcup-Disziplinen Siege holen. Viermal gewinnt er den Gesamtweltcup.
Ogi drückt dem Nachwuchstalent herzlich die Hand und sagt: «Gib nicht auf, kämpfe weiter!» Kurze Zeit später erhält Zurbriggen einen Startplatz im Europacup.
Zwei Jahre nach der Kandersteger Medaillenübergabe fragt Ogi Pirmin Zurbriggen während der Junioren Schweizermeisterschaften im Diemtigtal, wo er seine nächsten Rennen bestreiten werde. Zurbriggen erinnert sich daran, als sei es gestern gewesen: «Ich gab Dölf Ogi zur Antwort, dass ich es beim besten Willen nicht wisse. Trotz meiner guten Resultate dürfe ich nicht im Europacup starten.» Ogi verspricht dem Nachwuchstalent nichts. Er drückt ihm lediglich herzlich die Hand und sagt:
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