Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wunder

Wunder

Titel: Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.J. Palacio
Vom Netzwerk:
bisschen aufgeregt, aber sie taten so, als würden sie sich nur wahnsinnig für mich freuen. Und bevor wir das Haus verließen, machten sie Fotos von Via und mir, denn es war ja auch Vias erster Tag an einer neuen Schule.
    Bis vor Kurzem waren wir noch nicht mal sicher gewesen, ob ich überhaupt zur Schule gehen würde. Nach meinem Rundgang hatten Mom und Dad in dieser Frage die Rollen getauscht. Mom war jetzt diejenige, die fand, ich sollte es lassen, und Dad meinte, ich sollte hingehen. Er hatte mir gesagt, dass er echt stolz auf mich sei, weil ich die Sache mit Julian so gut hinbekommen hatte, und dass ich mich zu einem richtig starken jungen Mann entwickelte. Aber Mom, das merkte ich genau, war sich nicht mehr so sicher. Als Dad ihr sagte, dass er und Via mit zu meiner neuen Schule kommen wollten, da sie sowieso auf dem Weg zur U-Bahn lag, schien Mom erleichtert zu sein, dass wir alle gemeinsam dort aufkreuzen würden. Und ich glaube, ich war es auch.
    Die Beecher Prep liegt nur ein paar Blocks von uns entfernt, aber ich war bisher nur ein paar Mal in dieser Gegend gewesen. Ich gehe nicht gern da hin, wo viele Kinder rumlaufen. In unserer Straße kennt mich jeder, und ich kenne auch jeden. Ich kenne jeden Stein, jeden Baumstamm und jeden Riss im Bürgersteig. Ich kenne Mrs. Grimaldi, die Frau, die immer an ihrem Fenster sitzt, und den alten Mann, der immer die Straße rauf- und runtergeht und dabei wie ein Vogel pfeift. Ich kenne den Delikatessen-Shop an der Ecke, wo Mom unsere Bagels kauft, und die Kellnerinnen in dem Café, die mich alle »Süßer« nennen und mir immer wenn sie mich sehen Lutscher schenken. Ich liebe unsere Ecke in North River Heights, und deshalb war es auch so komisch, diese Straßen entlangzugehen und dabei plötzlich das Gefühl zu haben, die ganze Gegend wäre völlig neu für mich. Die Amesfort Avenue, auf der ich tausend Mal herumgelaufen bin, sah aus irgendeinem Grund völlig verändert aus. Voller Leute, die ich noch nie gesehen hatte, die auf Busse warteten und Kinderwagen in der Gegend herumschoben.
    Wir überquerten die Amesfort Avenue und bogen in Heights Place ein. Via ging wie meistens neben mir, und Mom und Dad hinter uns. Sobald wir um die Ecke gebogen waren, sahen wir die ganzen Kinder vor der Schule – Hunderte von ihnen unterhielten sich in kleinen Gruppen miteinander, lachten oder standen bei ihren Eltern, die mit anderen Eltern redeten. Ich hielt meinen Kopf tief gesenkt.
    »Die andern sind alle genauso aufgeregt wie du«, raunte mir Via ins Ohr. »Denk einfach dran, dass heute alle ihren ersten Schultag haben. Okay?«
    Mr. Pomann begrüßte Schüler und Eltern vor dem Schuleingang.
    Ich muss zugeben: Bisher war nichts Schlimmes passiert. Ich erwischte niemanden dabei, wie er mich anstarrte oder auch nur Notiz von mir nahm. Nur einmal blickte ich auf und sah, wie einige Mädchen in meine Richtung schauten und mit über den Mund gelegten Händen flüsterten. Aber sie sahen weg, als sie merkten, dass sie mir aufgefallen waren.
    Wir erreichten den Haupteingang.
    »Okay, da wären wir also, Großer«, sagte Dad und legte mir die Hände auf die Schultern.
    »Ich wünsch dir einen tollen ersten Tag. Hab dich lieb«, sagte Via, gab mir einen dicken Kuss und umarmte mich.
    »Wünsch ich dir auch«, sagte ich.
    »Ich hab dich lieb, Auggie«, sagte Dad und drückte mich.
    »Ciao.«
    Dann umarmte mich Mom, aber ich merkte, dass sie kurz davor war zu weinen, was mir total peinlich gewesen wäre, also umarmte ich sie nur ganz schnell und fest, drehte mich um und verschwand in der Schule.

Schlösser
     
    Ich ging direkt zum Raum 301 im dritten Stock. Jetzt war ich froh, dass ich den kleinen Rundgang mitgemacht hatte, denn ich wusste genau, wo ich langgehen musste, und brauchte nicht ein einziges Mal aufzuschauen. Mir fiel auf, dass mich einige Kinder jetzt definitiv anstarrten. Ich tat einfach wie üblich so, als würde ich nichts mitkriegen.
    Ich ging in den Klassenraum, in dem die Lehrerin gerade etwas an die Tafel schrieb, während sich die Kinder an die verschiedenen Tische setzten. Sie waren in einem Halbkreis vor der Tafel angeordnet, also suchte ich mir den Tisch aus, der in der Mitte und damit am weitesten hinten stand, weil ich dachte, dass es den anderen dort am schwersten fallen würde, mich anzustarren. Ich hielt den Kopf immer noch tief gesenkt und schaute gerade so weit unter meinem Pony hervor, dass ich die Füße der anderen sehen konnte. Während sich die Plätze

Weitere Kostenlose Bücher