Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
die Soldaten auf der anderen Seite waren kräftig und in der Überzahl. Mit hochrotem Kopf musste er mit ansehen, wie sich das Drehkreuz immer weiter bewegte. Erst als Rohn die Gewehre der Soldaten in den Freiräumen einkeilte, blieb es stehen. Der Feldwebel sah auf die Uhr. »Raus hier, die Bomber sind gleich da.«
Als ob sie ihre Ankunft bestätigen wollten, spuckten nun auch die Acht-Achter im Westen des Werksgeländes ihre Sprenggranatenpatronen. Ein dumpfes Grollen begleitete nun das Sirenengeheul, einem ständigen, grauenhaften Trommelwirbel gleich.
»30 Sekunden! Wir müssen hier weg. Pascal sagte, dass die Kleine ’nen ganz schönen Bums macht«, grölte Rohn im Laufen.
Diesmal war Nikolas es, der ihn anschrie und die Führung übernahm.
Sie sprinteten zu einem der offenen Kübelwagen, welche etwas abseits vom Gebäude geparkt waren. Nikolas schwang sich hinters Steuer und drehte den Schlüssel des SS-Vehikels.
»Komm schon …«, betete er, während er sich hektisch umsah. Immer noch scheuchten Soldaten zahlreiche Zwangsarbeiter in Richtung der Baracken. Hunde bellten laut; alle riefen durcheinander. Dazwischen Rohns Stimme.
»15 Sekunden!«
Hektisch drehte er den Schlüssel.
»Kommissar? Noch zehn«, mahnte Rohn drohend.
»Hab es.«
Endlich gab der Motor das erlösende Rattern von sich. Nikolas setzte mit voller Wucht zurück, rumpelte dabei über etwas, was er nicht näher identifizieren konnte. Dann gab er Vollgas, sodass der Boden hinter ihnen aufgewirbelt wurde. Für einen Moment stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht, was bereits im der nächsten Augenblick durch einen schmerzvollen Ausdruck ersetzt wurde. Die Detonation hinter ihnen war so gewaltig, dass sie von der Druckwelle erfasst wurden. Er hatte das Gefühl, als würde sein Trommelfell platzen, während ringsherum Betonstücke flogen. Nur mit größter Mühe konnte er sich im Wagen halten und den Fuß weiter auf das Gaspedal drücken. Doch trotz seiner Bemühungen versagte das Auto seinen Dienst. Instinktiv sah Nikolas sich um. Dort, wo eben noch das Kommandogebäude gestanden hatte, flammte ein Feuer meterhoch in den Nachthimmel. In einem Trümmerfeld aus Stahl und Beton flatterten die Planen im bitterkalten Wind. Ein bessere Markierung könnte es für die Flugzeugbesatzungen nicht geben.
Sofort schoss ihm dieser einzige Gedanke durch den Kopf, als er sich hastig zu Rohn umdrehte. Die Bomber! In wenigen Minuten würde die Fabrik der IG Farben einem Inferno ausgesetzt sein, das der Hölle Konkurrenz machen könnte. Rohn musste kurz weggesackt sein. Ächzend stützte er sich am Rahmen des Wagens ab, nachdem er wieder zur Besinnung gekommen war.
Dann trommelten die Flugabwehrkanonen auch aus nächster Nähe. Fieberhaft drehte Nikolas den Schlüssel, bis der Motor ansprang. »Wohin?«, schrie er.
»Die Straße entlang«, stöhnte der Feldwebel mitgenommen. Nikolas gab Gas, musste zwei Soldaten ausweichen. »Dann zum Bürogebäude, darunter liegen die Forschungsräume. Dort sollten wir Claire und die anderen treffen. Im Bombenhagel müssten sie es bis dahin geschafft haben und sich um die Wachmannschaften gekümmert haben. Wir müssen uns beeilen, die zweite Welle wird dort alles in Grund und Boden bomben.« Langsam wurde er wieder der Alte. »Wir müssen dort alles erwischen, Kommissar. Jede einzelne Probe, alle Aufzeichnungen!«
Die Augen auf die Fahrbahn gerichtet, nickte er gehetzt, und war viel zu sehr damit beschäftigt, herumirrenden Menschen auszuweichen.
Gerade als er das Gefühl hatte, dass er sich an die Fahrweise des Wagens gewöhnte, detonierten die Fliegerbomben. Keine 30 Meter entfernt traf der erste Sprengkopf und wirbelte den gefrorenen Boden in die Luft. Die Besatzungen der riesigen Flugzeuge schienen nicht nur Sprengsätze abzuwerfen. Kurz bevor die Straße nach links abfiel, fackelten auch Stabbrandbomben auf offener Straße. »Heimtückische, kleine Dinger«, fluchte Nikolas, biss die Zähne aufeinander und hielt den Wagen ganz links auf der Straße. In Hunderten Batterien zusammengefasst, trennten sie sich beim Abwurf. Sie entfalteten ihre zerstörerische Kraft erst auf dem Boden, sodass mehrere Minuten eine Stichflamme brannte, die sogar Metall schmelzen ließ. Dutzende dieser Stäbe vermochten einen Feuersturm zu entzünden, dem ganze Straßenzüge zum Opfer fallen konnten. Um das Löschen zu verhindern, explodierten sie nach einigen Minuten, was viele Brandwehrleute das Leben kostete.
»Gib Gas, die erste
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