Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
Welle ist nun über uns!«, schrie Rohn ihm entgegen, doch seine Worte wurden von den Explosionen verschluckt, die das Chaos weiter befeuerten. Als wäre dieser entsetzliche Gedanke sofort Realität geworden, detonierten die kleinen Glut spritzenden Stäbe in loser Reihenfolge und legten ihre brennende Säure auf alles umherstehende. Ein Wachsoldat schien das nicht zu wissen, bis er sich unter unmenschlichen Schmerzen sein Gesicht hielt, das von der chemischen Lösung verätzt wurde. Die markerschütternde Schreie des Mannes waren heller und grausamer als alle Geräusche dieses Wahnsinns zusammen.
Nikolas befahl sich, den Blick abzuwenden, und gab Gas. Er lenkte den Wagen an den Brandstäben vorbei und verlor seine Schirmmütze.
Immer noch rannten Soldaten und Mitarbeiter über die Straßen und versuchten, in die Schutzräume zu gelangen. Zwischen riesigen Kesseln und Generatorenanlagen zog sich die asphaltierte Straße nach Süden, Richtung des gesicherten Bürogebäudes, zu dem Nikolas bei seinem ersten Besuch geführt worden war. Die Einschläge wurden nun weniger, als sie auf eine weitere Pforte zurasten. Trotzdem zitterte der Boden, und mit jeder Detonation wurde ein Raunen zu ihnen getragen. Die Bombenteppiche entfalteten ihre gesamte grausame Macht.
»Wir müssen uns beeilen, die nächste Welle wird bald hier sein.« Rohn stützte sich auf die Frontscheibe, warf seinen Kopf in alle Richtungen. »Wieso sind hier so viele Soldaten?«
Der Wagen wurde langsamer, kam schließlich zum Stillstand. Vergraben unter Sandsäcken und kleinen Betonbunkern konnte Nikolas eine MG-Stellung ausmachen, dazwischen mehrere Uniformierte.
»Wo sind die anderen?«, polterte er, mit den Händen fest das Lenkrad umschlossen.
»Müssten schon längst hier sein, seit einigen Minuten schon.«
Mit einem Mal wurden die Soldaten an der Schleuse in helle Aufregung versetzt. Das MG drehte sich von der Straße weg und wurde in das Innere des abgesicherten Terrains gerichtet. Anschließend eröffneten sie das Feuer auf etwas, das Nikolas und Rohn noch nicht ausmachen konnte, auf ein unbekanntes Ziel zu ihrer Linken. Für einen Moment meinte Nikolas zwischen den flachen Lagerhallen mehrere Schatten. Doch erst als kleine Blitze in der Dunkelheit immer wieder aufflackerten und er zwischen Bomben, Sirenen und Martinshörnern vereinzelte Schüsse vernehmen konnte, ließ er den Wagen langsam anfahren.
»Es sollten nicht so viele Soldaten sein, nur eine Handvoll, die das Gebäude bewachen«, murmelte Rohn erneut und ließ sich in den Sitz fallen. »Warum sind das so viele?«
Selbst tagsüber waren vor Kurzem lediglich ein paar Werkschutzmitarbeiter dort postiert gewesen. Jetzt schien es ein ganzer Zug zu sein, inklusive tief liegender MG-Stellung, die den inneren Kern des Werkes bewachte. Tatsächlich konnte Nikolas zwei Dutzend Stahlhelme ausmachen, welche die angreifenden Résistancekämpfer mühelos in Schach hielten. Die Widerständler hatten sich zwischen den Lagerhallen eingeschanzt. Unter dem heftigen Feuer der SS war es ihnen unmöglich, zu dem Bürogebäude zu gelangen.
So würden sie ihr Ziel nie erreichen, dachte Nikolas und tippelte nervös auf dem Lenkrad. »Bald schon wird das alles hier dem Erdboden gleichgemacht.«
»Scheiße ja«, gellte der Feldwebel sichtlich angespannt. Sein vormals so ruhiger und überlegter Tonfall war verschwunden. »Wir müssen in das unterirdische Labor. Dort kommen die Bomben nicht hin. Nur von dort aus können wir es zerstören. Ansonsten werden sie die Kapseln bergen und alles war umsonst.«
Nikolas spielte mit dem Gaspedal, ließ den Motor mehrmals aufheulen. »So werden wir es nie schaffen. Wie viele Handgranaten haben wir?«
Der Feldwebel kramte in den Tiefen seines Wintermantels. »Wir haben drei Pineapples. Denkst du, was ich denke?«
»Scheiß drauf«, entgegnete Nikolas schroff. Er nahm eine der amerikanischen Mk2 an sich, die ihn aufgrund der tiefen, lang gezogenen Furchen tatsächlich an eine Ananas erinnerte. »Wenn die Bomben fallen, sind wir sowieso tot.«
Die Blicke der Männer begegneten sich. Sie trafen eine wortlose Absprache und nickten sich zu. Dann drückte Nikolas aufs Gas.
Nikolas spürte das Blut durch seinen Körper rauschen und den kühlen Fahrtwind. Doch er fühlte keine Kälte, im Gegenteil. Er hatte das Gefühl, in seinem Kopf ballte sich die Hitze und sein Gesicht würde so glühen, dass es leuchtete.
»Da ist ein Drei-Sekunden-Zeitzünder drin«, brüllte Rohn.
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