Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
sich der Treppe. Sie lag komplett im Dunkeln, die Notbeleuchtung versagte hier offensichtlich. Nur ein fahler Schimmer tauchte die ersten Stufen in ein schummriges Licht. Er war sich bewusst, dass dies der perfekte Ort für einen Hinterhalt war, und setzte dennoch seinen Fuß auf die erste Stufe. Schon nach wenigen Metern umfing ihn totale Dunkelheit. Mit den Sohlen versuchte er, die nächste Stufe zu ertasten und sein Gewicht so leise wie möglich auf den Fuß zu verlagern. Varusbach könnte jetzt direkt vor ihm stehen – er hätte es nicht einmal gemerkt. Das Pochen seines Herzens kam ihm unendlich laut vor, als er die Streichhölzer aus seiner Tasche fingerte. Er verbat sich, zu atmen, während er mehrere Hölzer über die Reibefläche zog. Ein paar Treppenstufen nahm er schneller, gebannt in die Dunkelheit starrend, wo das Licht des Feuers sich langsam verlor. Er stierte so hoch konzentriert, dass er nicht bemerkte, wie die Flamme herunterbrannte. Erst als ein Schmerz durch seine Finger fuhr, ließ er die Streichhölzer fallen. Wieder hörte er unsichere Schritte in der Finsternis, wieder hektisches Rascheln, als er sich erneut Licht verschaffen wollte. Als die Streichhölzer zischend aufflammten, starrte er in hasserfüllte Augen, die nur wenige Meter von ihm entfernt waren.
Mehrmals brachen die Schüsse aus Varusbachs Waffe und wurden von den engen Wänden zurückgeworfen. In der Dunkelheit drehte Nikolas sich weg, meinte noch, einen Luftzug an seinem rechten Ohr zu spüren. Ein Wunder, dass ihn die Kugeln verfehlt hatten. Dann ein metallisches Klacken. Der Offizier hatte sein Magazin leer geschossen. Im Knien konnte er hören, wie Varusbach weiter nach unten flüchtete. Nikolas brauchte einige Momente, um zu begreifen, dass er dem Tod erneut ins Antlitz geblickt hatte, dann richtete er sich auf und stolperte die Treppe hinunter.
Wie viele Magazine führte Varusbach noch bei sich? Waren weitere Männer dort unten?
Nikolas’ Gedanken drehten sich, als er vom Treppenabsatz wieder in den roten Schimmer der Notbeleuchtung trat. Nur kurz erlaubte er sich einen Blick in den Raum zu werfen. Im vorderen Teil standen Aktenschränke und verschiedene medizinische Apparaturen. Getrennt durch eine Scheibe aus Panzerglas konnte er eine Liege erkennen, an der Fixiergurte befestigt waren. Neben langen Schläuchen hingen Infusionsbeutel von der Decke herab. Abzugshauben waren in den Raum eingelassen und trugen jedes Geräusch nach draußen. Varusbach hatte recht. Diesen Raum konnte man hermetisch abriegeln. Eine luftundurchlässige Stahltür war die einzige Verbindung zum Glaskasten. Neben der Tür prangte rot hinterlegt ein Schalter für den Abzug der giftigen Gase. Hier pochte das dunkle Herz des Hauses der Schreie, hier war der Ursprung von Dunkle Wolke, die Quelle dieses Wahnsinns.
Gerade als er den ersten Schritt in den Raum machen wollte, wurde er gegen die Wand geschleudert. Sein Griff um die Walther löste sich. Nikolas sackte zusammen. Im nächsten Moment konnte er Varusbach ausmachen, der ihm das Knie in den Unterleib rammte. Mit einer Hand an der Wand abgestützt, schaffte er es, Varusbach einen Schlag gegen das Kinn zu versetzen. Für einige Momente war der Chemiker ohne Orientierung und taumelte zurück. Nikolas rappelte sich auf und schärfte seinen Blick. Das rote Licht ließ das Gesicht des Mannes bedrohlich glühen. Er blickte in eine Maske aus Zorn. Varusbachs Augen lagen in dunklen Höhlen, als er erneut auf ihn zuschoss.
Doch diesmal konnte Nikolas seinem Tritt ausweichen und warf sein ganzes Gewicht gegen ihn. Varusbachs Pistolengurt löste sich und wurde in den gläsernen Raum geschleudert, als die beiden zu Boden fielen. Nikolas reagierte schneller. Auf ihm sitzend, prasselten seine Fäuste in Varusbachs Gesicht, bis dieser etwas Hartes in die Hand bekam und es Nikolas gegen den Kopf schlug. Er sackte zur Seite weg, landete mit dem Gesicht auf dem Boden. Ein dunkler Schleier legte sich über Nikolas’ Augen. Für einen Moment meinte er, in die Ohnmacht abzugleiten. Der Raum drehte sich, er stöhnte vor Schmerzen. Am Boden liegend, erspähte er seine Waffe. Erst undeutlich und als ob er durch eine Wand aus Nebel blicken würde, verfestigte sich schließlich das Bild. Eingeklemmt zwischen Stuhlbein und einen Papierkorb konnte er das matte Schwarz der Waffe seines Vaters erkennen. Auf allen vieren erreichte er schließlich sein Ziel, hob die Pistole und versuchte, Varusbach ausfindig zu machen. Blut
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