Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
legte sich warm über seinen Rücken und auch seine Hände waren voll davon. Ächzend richtete er sich auf und vernahm im nächsten Moment das Geräusch eines herausschnellenden Magazins. Mit Schrecken erkannte er, dass der Offizier auch wieder auf den Beinen war. Zwar genauso erschöpft und kraftlos wie er selbst, lud er jedoch gerade seine Waffe nach. Sie trennte lediglich das durchsichtige und zentimeterdicke Panzerglas. Die eiserne Tür, welche die beiden Räume verband, lag keine fünf Meter rechts von Nikolas. Die Blicke der Männer trafen sich.
»Brandenburg«, keuchte Varusbach schwer atmend. »Dieser Raum ist absolut sicher. Keine Kugel wird durch dieses Glas dringen und auch die Bomben können hier nichts ausrichten. Legen Sie die Waffe nieder und wir verharren gemeinsam, bis das Bombardement vorbei ist. Noch ist es nicht zu spät.«
Nikolas ließ den Lauf seiner Waffe sinken, behielt die Tür im Auge. »Es ist auch noch nicht zu spät, um Dunkle Wolke zu stoppen.«
Varusbach lachte auf, verschränkte die Arme, mit der einen Hand die Pistole fest umschlossen. »Man kann die Zukunft nicht aufhalten, Brandenburg«, betont lässig lehnte er sich gegen die metallische Liege.
Dort mussten Marek und unzählige andere ihre schlimmsten Stunden verbracht haben. Für die meisten waren es gleichzeitig die letzten. Nikolas schnaubte verbissen, als er sich vorstellte, wie sie stundenlang für die Forschungen der IG Farben gelitten haben mussten. In seiner Stimme schwang Zorn mit.
»Zukunft?«, stieß er aus. »Tausende Menschen mit Giftgas zu töten, nennen sie Zukunft?«
Varusbach lehnte seinen Kopf zurück, befühlte sein Gesicht. Blut tropfte aus seiner Nase und verschwand in dem schwarzen Stoff der Uniform. »Ich rede nicht von den Menschen, die dabei sterben werden, ich rede von einer Wunderwaffe gegen Kräfte, welche das Reich gefährden. Stellen Sie es sich vor! Die Invasion in der Normandie – abgewendet mit nur ein paar Dutzend Raketen. Und glauben Sie mir, diese Invasion wird kommen. Das Ausbreiten des Bolschewismus – gestoppt durch ein bisschen von diesem Gas«, er breitete die Arme aus, schrie die Worte nun. »Die Feinde prallen ab, an einer dunklen Wolke aus Sarin-Beauté!«
Die Erkenntnis traf Nikolas wie ein Schlag. »Es ging nie darum, feindliche Truppen mit Giftgas zu beschießen. Ihnen geht es um die Verhinderung einer Invasion.«
Der Offizier schüttelte den Kopf, verzog sein Gesicht zu einem scheußlichen Lächeln. »Natürlich! Sie müssen viel größer denken, Brandenburg! Warum nur vereinzelte Truppen einnebeln, wenn im Falle einer feindlichen Invasion Millionenstädte wie Paris, Amsterdam, Brüssel und Antwerpen zu einem einzigen Wall geformt werden könnten. Absolut undurchdringlich – das würde die Alliierten sofort in die Knie zwingen.«
Nikolas atmete flach. Allein bei der Vorstellung verließ ihn seine Kraft. »Hunderttausende würden sterben!«
»Millionen!«, grölte Varusbach. »Und denken Sie weiter! Prag, Warschau, vielleicht sogar Moskau, die Möglichkeiten sind unendlich!« Seine freie Hand formte eine Faust. »Es ist unsere Waffe, unsere Möglichkeit, den Krieg zu beenden.«
»Nein, Sie denken nicht weit genug. Die Alliierten würden keine Sekunde zögern und diesen Angriff vergelten, mit Giftgas auf deutsche Städte.«
Varusbach zuckte mit den Schultern, lehnte den Kopf zur Seite. »Vielleicht. Anfangs schon, doch dann werden sie die volle Wirkung von Sarin-Beauté zu spüren bekommen. Sie bräuchten Dutzende Bomben, um eine deutsche Großstadt einzunebeln, und dank Wind und Wetter ist die Wirkung schnell verflogen.« Voller Stolz legte er eine Hand auf sein Herz. »Dank meines Wundermittels, dank Sarin-Beauté, reicht eine A4-Großrakete aus, um eine Stadt wie Paris über Wochen unpassierbar zu machen. Bald schon wird Dr. Goebbels ihren neuen Namen bekannt geben. Dann wird aus der Aggregat 4 die Vergeltungswaffe 2. Einen besseren Schutz gibt es für uns nicht. Eine Hülle, ein Kokon für das Reich!«
»Um den Preis unzähliger Menschenleben.«
»Dafür ist der Preis nicht zu hoch, Brandenburg. Es wird sicher einige Verluste in der Zivilbevölkerung geben, aber das ist vertretbar.«
»So wie der Tod von Erik Stuckmann vertretbar war?« Nikolas’ Unterlippe begann zu zittern, als er es laut aussprach und der Name seines Freundes von den Wänden zurückgeworfen wurde.
Varusbach winkte ab. »Aber natürlich! Es war nur ein Menschenleben. Nur ein Menschenleben
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