Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
dass du jetzt Bier trinken solltest? Sieht ziemlich übel aus.«
»Danke, aber bei dem Gerede brauche ich auf jeden Fall ein Schluck Alkohol zur Betäubung.«
Zusammen gehen wir in die gut gefüllte Pinte. Sofort schlagen uns Rauchschwaden entgegen. Die Bedienung scheint mit dem Abräumen und Säubern der Tische nicht hinterherzukommen, was keine Überraschung ist bei den Menschenmengen. Ich habe das Gefühl, als würde eine brennende, aber angenehme Hitze von dem bunten Pulk ausgehen, der sich hier tummelt. Wir finden doch noch einen freien Tisch. Martin ist sofort an der Theke und bringt drei große Bier, drei Gläser und eine Flasche Schnaps mit.
»Oh, verdienen Medizinstudenten mittlerweile so gut?«, frage ich mit einem dicken Grinsen im Gesicht.
»Nein, die sind arm wie Kirchenmäuse.« Schnell füllt er die Gläser. »Aber die Eltern sind es nicht.«
Sogar Erik muss jetzt lachen, als er sich mit glänzenden Augen das Bier greift.
Nach und nach kippen wir den Schnaps hinunter. Ich bemerke gar nicht, wie sich der Rausch wohlig über meine Sinne legt und dort eine Leichtigkeit hinterlässt. Erst als Martin mich in die Seite stupst und meine Aufmerksamkeit auf drei Mädchen lenkt, die gerade zur Tür hereinkommen, wird mein Blick wieder klar. Mein Kumpel grinst diabolisch, während seine Wangen im Lampenschein glänzen. Ich schnappe mir die Flasche Fusel und lade die Mädchen ein. Sie scheinen nicht von hier zu kommen, was die Sache einfacher macht. Erik stelle ich Edith vor, eine kleine Blondine mit schmalem Gesicht und strahlendem Lächeln. Sie verstehen sich auf Anhieb. Ich konzentriere mich auf das brünette Mädchen. Alle drei trinken, singen, lachen mit uns. Der Lärmpegel steigt und bald schon muss man sich ganz nah kommen, um ein Gespräch in Gang zu halten. Es beginnt mit ersten, zärtlichen Berührungen an der Taille des Mädchens, die wie zufällig wirken. Nach einem weiteren Bier streiche ich eine Strähne über ihre verschwitzte Stirn. Ich küsse sie auf die Wange und sage ihr, dass sie das schönste Mädchen ist, das ich je gesehen habe, obwohl ich mich an ihren Namen nicht mehr erinnern kann. Als sie auf der Toilette ist, komme ich mit der blonden Edith ins Gespräch. Ich streichle die Innenseite ihrer Hand und sage ihr, dass sie die funkelndsten Augen hat, die ich jemals gesehen habe. Sie bedankt sich schüchtern und meint, sie hätte das heute schon von meinem Freund gehört. Eriks und mein Blick treffen sich, wir grinsen und nippen gleichzeitig am Bier. Ist schön blöd, wenn man sich so lange kennt und irgendwann dieselbe Masche abziehen möchte.
Wenig später steht Martin mit der dritten, etwas kräftigen, in der Ecke und küsst sie. Die beiden anderen Mädchen nehme ich in den Arm und sehe Martin an.
»Wollen wir noch einen Letzten trinken? Was möchtest du?«
Seine Krawatte hängt schief, er hat Flecken auf der Weste, eine geschwollene Wange, ist betrunken bis zum Anschlag und seine blonden Haare kleben ihm im Gesicht, doch er versteht mein Rätsel sofort.
»Ich nehme noch ein kühles Blondes. Habe keine Lust auf ein dunkles Alt.«
Feixend zwinkere ich ihm zu, dann nehme ich die Brünette an der Hand und gehe mit ihr zur Theke. Erik nimmt die Hand der blonden Edith. Freundschaft kann so schön sein, wenn man sich blind versteht.
*
Nikolas erwachte in einem dunklen Raum. Es musste spät am Abend sein. Der Brief in seiner Hand war zerknittert. Das Zeugnis dieses Traums aus seiner Vergangenheit. Mehrmals musste er sich durch das Gesicht fahren, um die Spuren seines ausgedehnten Mittagsschlafes wegzuwischen. Mit halb geschlossenen Augen schlich er in die Küche, holte sich ein paar Brote, etwas zu trinken und setzte sich an den Schreibtisch aus Kindertagen. Vor ihm lag das zerknitterte Blatt Papier, das er kauend betrachtete.
Was versuchst du mir zu sagen, Erik? Wovor hattest du solche Angst? Bist du vielleicht doch verrückt geworden und durchgedreht, wie alle sagen? Oder waren es tatsächlich die Drogen, die angeblich bei dir gefunden worden sind? Immerhin war der Brief hastig heruntergekritzelt.
Nikolas versuchte, diesen Gedanken abzuschütteln, und fuhr sich durch die Haare. Nein, nicht der Erik, den er kannte. Er konzentrierte sich auf den ersten Absatz.
Ich hoffe, dass wir uns bald noch mal bei deiner alten Tante in Frankreich treffen können. Der Tee war wirklich köstlich. Ich habe dort ein Geschenk für Dich hinterlassen.
Nikolas hatte keine Tante. Schon
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