Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
meinte, ein leichtes Kichern zu vernehmen.
»Sind Sie noch ganz bei Trost, Brandenburg?«, schoss es ihm entgegen. Vor seinem geistigen Auge lief Luger gerade gefährlich rot an. »Ist das wieder eine Ihrer Ahnungen oder der Geheimtipp eines Informanten, der ja ach so verlässlich ist?«
»Schicken Sie einfach ein paar Leute hin, Herr Hauptsturmführer, bitte …«
Luger murmelte etwas, was Nikolas nicht verstand, bis der Hauptsturmführer schließlich wieder den Hörer ans Ohr hielt.
»Wenn Sie sich Ihr eigenes Grab schaufeln wollen, ist das nicht mein Problem. Im Gegenteil, ich werde Ihnen sogar die Schaufel reichen.« Noch einmal ließ er sich die Adresse geben. »Zwei! Ich werde genau zwei Leute schicken.«
»Danke«, presste Nikolas durch die Leitung, bevor er den Hörer auf die Gabel fallen ließ.
»Ich muss gehen«, erklärte er und machte die ersten energischen Schritte in Richtung Haustür.
»Und genau so schnell, wie er gekommen war, ist er auch schon wieder verschwunden«, ätzte sein Vater.
Auf der Schwelle blieb Nikolas stehen. »Wann bist du eigentlich so verbittert geworden, Vater?« Seine Stimme bebte vor Aufregung. »Ich weiß, dass es nicht einfach war, aber …«
»Du redest von nicht einfach? Du fragst, seit wann ich verbittert bin?« Er überschlug sich beinahe, als er seinem Sohn die Worte entgegengiftete. »Vielleicht als Mutter starb, vielleicht als mir eine Bombe mein Bein wegriss, vielleicht aber auch, als ich miterleben musste, wie mein einziger Sohn alle Chancen, die ich ihm erarbeitet habe, in den Wind schoss.«
Den Türknauf in der Hand sah Nikolas erst an die Decke, anschließend zu seinem Vater. »Es tut mir leid, dass ich nicht der Sohn bin, den du dir gewünscht hast.«
Dann schloss er die Tür.
Nikolas schlug mehrmals schreiend gegen das Lenkrad, als er seinen Wagen aus Düsseldorf lenkte. Er hörte erst auf, als seine Hand schmerzte. Wie konnte er nur so etwas sagen? Wie konnte er nur … Mit aller Macht versuchte er, den Gedanken beiseitezudrängen. Es gab anderes zu tun. Erst als er den Kontrollpunkt passiert hatte, beruhigte er sich etwas und las Eriks Brief im fahlen Schein einer Laterne erneut.
Leider haben wir in den letzten Monaten wenig Zeit miteinander verbringen können. Ich würde mich freuen, wenn sich das ab jetzt ändert.
Du warst verzweifelt, oder, mein Freund? Wusstest nicht mehr, an wen du dich wenden kannst. Irgendetwas hat dir unendlich zugesetzt. Du wusstest, dass dein Tod bevorsteht, hast deswegen diesen Brief voller Rätsel und Andeutungen geschrieben, in der Hoffnung, dass ich die Brotkrumenspur aufsammle, die du gelegt hast.
Wir werden wieder mehr Zeit miteinander verbringen, genau, wie du es dir gewünscht hast. Du vertrautest mir und ich war nicht da. Ohne Telefonnummer, ohne Adresse war ich weit weg – in Paris. Du wusstest, alle Leitungen wurden abgehört und der Briefverkehr wurde kontrolliert. Hast keine andere Möglichkeit gesehen, als mir einen Brief zu senden. Einen Brief, den nur ich verstehe. Ich war weg, als du mich am meisten gebraucht hast. Aber ich verspreche dir, ich werde die Brotkrumen aufsammeln. Das verspreche ich, alter Freund.
Kurz nach Mitternacht erreichte Nikolas Paris. Die Stadt schlief noch lange nicht, sodass sich von überall her Menschen auf die Straße drängten. Etliche Bars und Cafés hatten geöffnet. Als er den Eiffelturm passierte, bewunderte er das Bauwerk in seiner schlichten Schönheit. Natürlich wollten Martin und Erik das Wahrzeichen Paris’, diese Nadelspitze, die in den Himmel ragt, bei ihrem Besuch bestaunen. Da traf es sich gut, dass Nikolas eine Herberge wenige Straßen weiter gefunden hatte. Die ›Vieille tante‹.
Doch was er sah, als er um die Ecke in die Rue de Lourmel bog, hätte er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt. Hatte er sich so in Luger getäuscht? Wohl kaum.
Dutzende schwarze SS-Wagen säumten die kleine Gasse und das Gebiet war weiträumig abgesperrt. Er konnte ohne Probleme mehrere Uniformierte und Gestapomänner ausmachen. Dazu seine Kollegen von der Kriminalpolizei, die meisten in SS-Uniformen. Ein kleinbürokratischer Haufen verschiedener Organisationen, mitten im Kompetenzstreit. Was war hier los, verdammt?
Als er auf die Absperrung zuging, konnte er kein bekanntes Gesicht erkennen. Allerdings hetzten direkt drei Männer in dunklen Anzügen und Ledermänteln auf ihn zu und wollten ihn grob beiseiteschieben. Die Folterknechte von der
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