Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
etliche Zeit, bis er ein wiederkehrendes, dumpfes Klopfen auf dem Boden vernahm. Dann öffnete sich die Tür.
»Hallo, Vater.«
Er zeigte keine Regung. Selbst gestützt auf zwei hölzernen Krücken war er ein Respekt einflößender Mann. Es zierten nur mehr wenige zurückgekämmte Haare seinen Kopf. Gekleidet in ein weißes Hemd und eine Wollweste war die Hose dort, wo eigentlich das linke Bein sein sollte, unterhalb der Taille zugenäht.
»Nikolas.«
Keine Begrüßung, kein Lächeln – lediglich eine Feststellung. Er ging ins Esszimmer. Das Klopfen der Krücken erfüllte das gesamte Haus. Ruhig, monoton, konstant.
Als er seinen Mantel und den Hut an der Garderobe ablegte, zog Nikolas den Duft des Hauses in sich hinein. Es war derselbe, der sich als Kind in seinen Geist gemeißelt hatte. Frisches Holz, etwas herb, und die Räume waren immer zu kalt, weil Vater alle Türen aufließ, um Durchzug zu schaffen. Langsam ging Nikolas auf den großen Esstisch zu und setzte sich seinem Vater gegenüber. Ein einzelner Teller mit Essensresten und ein Glas Wasser standen vor ihm. Es war die einzige Benutzung, die dieser Tisch noch erfuhr. Mit seinen dunklen Augen blitzte Vater ihn an.
»Was willst du hier, Nikolas?«
»Schlafen, Essen. Ich wollte einfach einen Tag ausruhen, bevor ich wieder nach Paris fahre.«
Eduard Brandenburg lehnte sich zurück und seufzte, während er mit der Gabel einen Rest Kartoffel von der einen Seite des Tellers zur anderen schob. »Mein Haus steht dir zur Verfügung«, brummte er schließlich. »Du kannst dein altes Zimmer benutzen. Aber mit dem Essen könnte es etwas schwierig werden. Nimm dir, was du findest.«
»Danke«, sagte Nikolas leise, während er auf seiner Unterlippe herumkaute. »Wie ist das Essen der Diakone?«
Als wäre diese Frage eine Beleidigung, ließ sein Vater klirrend die Gabel auf den Teller fallen und wischte sich den Mund ab. »Es macht satt.«
Ächzend stand er auf, humpelte in die Küche und kam mit einer Flasche Selbstgebranntem wieder. »Bin froh, wenn wir den Krieg endlich gewonnen haben«, brummte er, als er sich Nikolas wieder gegenübersetzte. »Dann gibt es wieder was Ordentliches zu trinken.«
»Schnaps, Vater? Mittags um drei?«
Sein Blick durchbohrte ihn fast. »Na dann, mein Sohn, nenn mir einen Grund, der dagegen spricht.« Dabei klopfte er sich auf den Stumpf und zog dann demonstrativ den Korken aus der Flasche. Nikolas schwieg.
»Das habe ich mir gedacht.«
Hätte ihm vor sieben Jahren jemand gesagt, dass sein Vater in der Mittagszeit etwas Alkoholisches trinkt, wäre er aus dem Lachen nicht mehr herausgekommen. Doch jetzt sah er diesen Mann, der das Wasserglas komplett mit Fusel füllte und in einem Zug austrank. Danach verzog sein Vater das Gesicht.
»Wie geht es Lisa?«, wollte er schließlich wissen.
Es gab keinen Grund, ihn anzulügen. Sein Vater würde es sowieso erfahren, wenn er es nicht schon wusste. Trotzdem musste Nikolas sich mehrmals räuspern, bevor er antwortete. »Wahrscheinlich werden wir uns trennen.«
Nikolas zuckte zusammen, als die mächtige Pranke auf den Tisch donnerte.
»Ja, das sieht dir ähnlich, Nikolas. Bringst nie was zu Ende. Selbst eine unverschämt teure Verlobungsfeier, um dich auf den richtigen Weg zu bringen, ist dir nicht heilig. Was war los, hast du zu viel gemalt?« Er lachte auf. »Den Kopf voller Flausen. Aber das passt ja …«
Schon wieder das leidige Thema, Nikolas stöhnte auf. »Gezeichnet, Vater. Und nein, ich mache das nicht mehr.« Er konnte dem Mann immer noch nicht lange in die Augen schauen.
Schnaubend füllte sein Vater erneut sein Glas. »Hab gehört, in Paris, der Stadt, in die du geflüchtet bist, läuft es nicht so berauschend.«
»Du hast davon gehört?« Natürlich hatte er das. Die alte Riege hält zusammen.
»Man hört auf jeden Fall keine guten Sachen über dich. Hast du diese französischen Bastarde immer noch nicht inhaftiert?«
In diesem Moment waren seine Worte wie Gift, das sich in ihn hineinfraß und seinen Magen zum Schmerzen brachte. »Nein, Vater. Aber die Situation ist nicht so einfach, diese Résistancezelle ist äußerst …«
»Was denn? Geschickt? Schnell? Effektiv? Das sind sie alle. Und unsere Aufgabe ist es, geschickter, schneller und effektiver zu sein als dieser Abschaum.«
Er sprach immer noch in der Wir-Form wie der allmächtige Kriminalrat, wie der Sturmbannführer, wie der beste Kriminalist, den Düsseldorf je gesehen hat.
»Mein Sohn, du solltest
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