Wunschkonzert: Roman (German Edition)
»Damit hast du schon nicht ganz unrecht.«
»Nicht ich, Kindchen«, sagt Hilde und streichelt mir liebevoll über den Kopf, »Epikur!«
»Ja, stimmt, der alte Grieche.« Mittlerweile kann ich schon fast wieder ein bisschen lächeln. »Dann werde ich wohl tatsächlich mal mit dem Chef reden. Und wenn es ganz furchtbar läuft, kann ich mich immer noch mit deinen leckeren Fleischbällchen ins Koma futtern.« Ich zwinkere Hilde zu, was sie schmunzelnd erwidert.
»Das ist die beste Einstellung!«
»Verstehe ich das richtig? Du warst also schon die ganze Zeit mit Tim Lievers und seiner Band im Gespräch?« David sitzt mir im Aufenthaltsraum gegenüber. Ich habe ihn um ein Gespräch unter vier Augen gebeten, und auch wenn er das Fest sicher ungern verlassen hat, ist er sofort mit mir hierhergekommen. Während wir hören, dass die Kollegen draußen ausgelassen weiterfeiern, versuche ich, ihm zu erklären, dass Martin mir meinen Act geklaut hat.
»Ja«, bestätige ich ihm, »ich hätte mit ihnen letzte Woche den Vertrag gemacht, wenn du nicht unser Label gekauft hättest.«
»Und weshalb hast du nicht mit mir darüber geredet? Du hättest doch in den vergangenen Tagen jede Menge Zeit dafür gehabt.«
»Weil ich«, ich suche nach den richtigen Worten, »mich daran halten wollte, dass wir erst mal keine Verträge machen sollten.«
»Aber du hättest mir trotzdem schon mal etwas von den Jungs vorspielen können. Die sind doch richtig gut!«
»Finde ich ja auch.«
»Trotzdem bist du das Risiko eingegangen, dass sie zu einem anderen Label gehen. Martin hat mir erzählt, dass Tim Lievers schon sehr verärgert war, weil du ihn so hingehalten hast.«
»Ja, ich weiß«, gebe ich zu, »aber für mich war die Sache doch klar!«
»War sie das? Du konntest doch gar nicht wissen, ob wir den Act signen würden.«
»Nein, ich meine, ja … also …« Langsam, aber sicher bin ich dabei, den Faden zu verlieren. Dieses Gespräch läuft überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, und auch der Gedanke an den guten alten Epikur hilft mir hier gerade nicht weiter. »Aber die Band ist doch gut!«, bringe ich einigermaßen verzweifelt hervor. David nickt.
»Ja, ist sie auch. Und wir können von Glück sagen, dass Martin sie für uns an Land gezogen hat. Als er mir etwas von ihnen vorgespielt hat, war sofort klar, dass man denen einen Vertrag geben muss.«
»Das ist es ja gerade!« Am liebsten würde ich wütend mit dem Fuß aufstampfen. »Das war meine Demo- CD ! Die hat Martin mir geklaut!«
David zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. »Geklaut? Das höre ich zum ersten Mal.«
»Ja, ähm … Er muss sie mir irgendwie aus der Tasche gestohlen haben.« Ich hoffe, dass ich nicht rot anlaufe und David nicht wissen will, wie genau Martin an meine Tasche gekommen ist. Über mein Intimleben möchte ich mit meinem Boss nun wirklich nicht sprechen.
»Dann verstehe ich aber immer noch nicht, weshalb ich von dir nichts über die Reeperbahnjungs gehört habe«, meint David und geht blöderweise gar nicht weiter auf meinen Vorwurf Martin gegenüber ein. »Ich habe euch gebeten, keine Verträge zu machen, aber nicht gesagt, dass ihr euch nicht jederzeit an mich wenden könnt. Und zum anderen habe ich dir schon erklärt, dass man in manchen Situationen einfach handeln muss. Martin hat es getan. Er hat das Potenzial der Band erkannt und sofort mit mir gesprochen. Auch wenn sein Vorgehen dir gegenüber vielleicht nicht okay war – und darüber werde ich natürlich mit ihm sprechen –, hat er die für das Label richtige Entscheidung getroffen.«
»Ich hätte ja auch noch mit dir geredet!«, gebe ich trotzig zurück. Das ist so eine unglaubliche Ungerechtigkeit, dass es kaum auszuhalten ist! Anscheinend halten Männer tatsächlich immer zusammen – und dass ich dabei in die Röhre gucke, interessiert keine Sau!
»Stella, ich kann verstehen, dass du verärgert bist.« David lächelt mich beruhigend an, was mich erst recht auf die Palme bringt.
»
Verärgert
ist gar kein Ausdruck!« Ich springe auf und laufe wie ein aufgezogenes HB -Männchen durchs Zimmer.
»Aber«, er spricht einfach weiter und kümmert sich gar nicht darum, dass ich hier gerade ein kleines bisschen durchdrehe, »das Leben ist wie ein Spiel. Und manchmal muss man eben auch verlieren können.«
DAS REICHT ! Ich flippe komplett aus und gehe auf meinen Chef los. »Ein Spiel?«, schreie ich ihn an. »Dann gibt es dafür ja wohl auch Regeln, an die sich alle
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