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Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Wunschkonzert: Roman (German Edition)

Titel: Wunschkonzert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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meinem Zimmer, um die CD zu stehlen!«, schleudere ich ihm entgegen. Gerade erst wird mir das gesamte Ausmaß der Schweinerei bewusst, die Martin hinter meinem Rücken abgezogen hat! Eine dermaßene Unverfrorenheit habe ich noch nie erlebt, mein Kollege hat offenbar nahezu kriminelle Energie in sich!
    »Also,
gestohlen
habe ich sie nicht«, widerspricht er. »Nur geliehen, gestern Abend habe ich sie dir ganz brav wieder zurückgebracht und heute Nacht in deine Tasche gepackt.«
    »Deshalb bist du noch einmal in mein Zimmer gekommen?«, frage ich schockiert. Mittlerweile zittern meine Knie so stark, dass ich mich auch noch mit der anderen Hand an der Lehne festhalten muss, um nicht augenblicklich zusammenzubrechen.
    »Auch«, gibt er zu. Und dann wird sein Grinsen noch breiter und widerlicher, als es ohnehin schon war. »Und weil ich Lust hatte, mit dir den Champagner zu trinken. Mit dir schlafen wollte ich natürlich auch.« Er haucht mir einen Kuss auf die Wange. »Ein bisschen Spaß, weißt du noch?«
    Peng!
    Mit aller Kraft, die ich noch aufbringen kann, hole ich aus und verpasse Martin eine so feste Ohrfeige, dass er tatsächlich kurz ins Wanken gerät. Allerdings verzieht er keine Miene, sondern zuckt nur mit den Schultern.
    »Ich hab dir ja gesagt, dass du mir gerne wieder eine scheuern darfst.« Mit diesen Worten spaziert er einfach davon und gesellt sich zu den anderen vor die Bühne.
    Ich stehe immer noch vollkommen schockiert da. Soll ich jetzt weinen oder hysterisch lachen oder alles beides zur selben Zeit?
Dreh jetzt nicht durch, Stella,
versuche ich, mich selbst zu beruhigen.
Das heißt alles noch nichts, du wirst die Sache klären, das wirst du Martin Stichler nicht durchgehen lassen. David wird ein Machtwort sprechen, natürlich wird er das, du hast ihn doch jetzt schon ein bisschen kennengelernt, und so eine Sauerei macht er nicht mit.
Während ich mir selbst immer wieder sage, dass sich schon alles finden wird, verlangsamt sich mein Pulsschlag wieder. Ich atme tief ein und aus, das Zittern in den Knien lässt nach, und ich merke, wie ich immer ruhiger werde. Ich lasse die Stuhllehne los. So leicht werde ich mich von Martin nicht ausbooten lassen! Und außerdem: Auch er durfte doch gar keinen Vertrag abschließen!
    Die Band setzt gerade zu einem neuen Stück an, als Tim den Kopf in meine Richtung dreht und mir direkt in die Augen sieht. Wieder setzt mein Herzschlag für den Bruchteil einer Sekunde aus, denn was ich in seinem Blick erkenne, lässt meinen neu gewonnenen Mut augenblicklich schwinden: Er sieht böse aus. Und verletzt.
    Was ist da bloß passiert? Was hat Martin ihm alles erzählt, was? Als würde Tim mir die Antwort auf meine stumme Frage geben, scheint er auf einmal nur noch für mich zu singen. Bei seinen Worten wird mir heiß und kalt, sie treffen und erschüttern mich im Innersten.

    Du berührst mich nicht mehr (00:35)
    Audio: Du berührst mich nicht mehr (00:35)
     
    Keine Lügen, die du hinter meinem Rücken sprichst
    Keine Worte, die du später sowieso nur brichst
    Keine Gründe, die versuchen sollen zu erklären
    Du berührst mich nicht mehr
     
    Keine Fragen, deren Antwort dich nicht interessiert
    Keine Taten, die verschleiern sollen, was passiert
    Keine Spiele, die mir unnötig den Weg erschweren
    Du berührst mich nicht mehr
    Ich kann nicht länger zuhören, jeder Satz ist wie ein Schlag für mich. Schläge, die ich wohl verdient habe: Ich habe ihm nicht die Wahrheit gesagt, ihm nicht vertraut und im Gegenzug sein Vertrauen missbraucht und ihn angelogen. Hektisch drehe ich mich um und stolpere von der Lichtung, ich will nur noch weg hier, nichts mehr hören und sehen, einfach nur weg.
    Die anderen beachten mich gar nicht, als ich, wie von Furien gejagt, in Richtung Herberge hetze. Ich reiße die Tür auf, stürze durch die Eingangshalle, springe in riesigen Sätzen die Treppe zum Wohnbereich hoch, reiße meine Zimmertür auf und donnere sie mit einem lauten Knall hinter mir ins Schloss. Eine Sekunde später liege ich auf meinem Bett, habe Möhrchen ganz fest an mich gepresst – und weine hemmungslos und laut in mein Kissen. Die Bilder rasen nur so durch meinen Kopf. Tim und die Reeperbahnjungs unten auf der Bühne bei unserem Fest, Martin, wie er heute Nacht in meinem Zimmer war, die Art und Weise, wie er mich eben angegrinst hat, Tim und mein Abend im Atlantic, unsere Küsse, der Morgen bei mir zu Hause …
    Ich schluchze und schluchze, kann gar nicht mehr damit aufhören.

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