Wunschkonzert: Roman (German Edition)
weiter rumrätseln kann, posaunt Martin schon euphorisch ins Mikro: »Begrüßt also zusammen mit mir und mit einem frenetischen Applaus: Tim Lievers und die Reeperbahnjungs!«
15. Kapitel
I ch glaube, ich habe was an den Ohren – was hat Martin da gerade gesagt?
Mein
Tim Lievers und
meine
Reeperbahnjungs? Ich muss Wahnvorstellungen haben, und zwar im Endstadium! Eine andere Erklärung gibt es nicht, das müssen Halluzinationen sein.
Dafür sind sie allerdings extrem realistisch, denn kaum hat Martin die Band angekündigt, da kommen die Reeperbahnjungs schon auf die Bühne. Tim hat seine Gitarre um den Hals gehängt, die anderen tragen ebenfalls Instrumente. Bis auf den Drummer Sven, der reißt mit Schwung das weiße Bettlaken, das bisher etwas auf der Bühne verdeckt hatte und unter dem ich die Chippendales oder eine andere Überraschung vermutet hatte, runter – ein Schlagzeug kommt zum Vorschein. Während ich mit Hilde und Jenny in der Küche war, müssen sie das hier in Windeseile aufgebaut haben.
Es kommt mir vor, als wäre ich in einem wirklich schlechten Traum, als die Band mit dem ersten Song beginnt.
20 000 Mann,
das hat Tim noch vor wenigen Tagen im Atlantic performed. Und ich muss sagen, dass mir sein Auftritt bei
Kino trifft Pop
wesentlich besser gefallen hat. Nicht weil er jetzt schlecht singen würde oder so, aber mit Herzrasen, Ohrensausen und klitschnassen Händen bin ich in meiner Genussfähigkeit doch sehr beeinträchtigt. Meine Kollegen hingegen wippen begeistert mit, David Dressler steht direkt vor der Bühne und sieht nahezu euphorisch aus.
20.000 Mann (00:30)
Audio: 20.000 Mann (00:30)
Ich rechne damit, dass ich jeden Moment umkippen werde, meine Knie zittern schon leicht, und ich schaffe es gerade noch, nach der Lehne eines Stuhls zu greifen, der neben dem Büfett steht, um mich abzustützen.
»Hat echt was drauf, dieser Gerald Strullenkötter.«
Martin! Er hat sich direkt neben mich gestellt und strahlt mich an, als wäre das hier alles ein riesengroßer Spaß. Vermutlich ist es das für ihn sogar! Ich starre ihn entsetzt an. Und wenn ich nicht gerade damit beschäftigt wäre, mich irgendwie aufrecht zu halten, würde ich ihm jetzt dermaßen eine scheuern, dass er selbst zu Boden gehen würde.
»Was hast du getan?«, zische ich böse und vermutlich auch ziemlich entsetzt. »Wie kommst du dazu, meine Künstler unter Vertrag zu nehmen?«
»
Deine
Künstler?«, erwidert Martin spöttisch. »Aus Sicht von Tim Lievers klang das ein kleines bisschen anders. Aber vielleicht klärst du das am besten mit ihm selbst?« Ich blicke rüber zu Tim, aber er beachtet mich gar nicht, scheint sich sogar absichtlich in eine andere Richtung zu drehen und singt gerade Hilde an, die verzückt lächelt.
»Wie bist du an ihn rangekommen?«, will ich wissen.
Martin zuckt mit den Schultern. »Er hat mich angerufen.«
»
Er
hat
dich
angerufen?«, wiederhole ich. »Warum das? Ich glaube dir kein Wort!«
Mein Kollegen-Arschloch holt sein Handy aus der Hosentasche. »Tim hatte noch meine Nummer im Speicher und wollte eigentlich mit dir sprechen.«
Augenblicklich wird mir klar, was passiert ist: Ich habe Tim mit Martins Handy angerufen und die Nummer danach extra gelöscht. Nur habe ich blöde Kuh nicht daran gedacht, dass Tim natürlich Martins Nummer im Display sieht. Aber wie hätte ich denn auch damit rechnen sollen, dass Tim noch einmal bei Martin anruft?
»Stella«, spricht das Dreckschwein weiter, »ich kann mir vorstellen, dass du mich jetzt für einen Arsch hältst.«
»Ich bin mir gerade nicht sicher, ob wir mit einem einfachen
Arsch
hinkommen.«
»Mag sein«, spricht er weiter. »Aber Tim hat offenbar mehrfach versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen, und es dann mal bei mir probiert, weil er dachte, dass er dich da vielleicht kriegt.«
»Und du hast mir den Anruf dann absichtlich verschwiegen!« Martin lacht.
»Na ja, was heißt hier verschwiegen? Wir sind einfach schnell auf ein anderes Thema gekommen«, plaudert er gutgelaunt weiter. »War ein echt interessantes Gespräch, und nachdem er mir von seiner Band und seiner Musik erzählt hat, wollte ich sie mir mal anhören. Er sagte mir, er sei kurz davor, sich bei einem anderen Label zu bewerben, da wollte ich wenigstens wissen, ob World Records etwas durch die Lappen geht. Dachte mir schon, dass er der Sänger ist, den ich mal kurz in deinem Auto gehört habe, und den fand ich schon damals richtig gut!«
»Du warst in
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